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30.11.2016

Via Dinarica - 1300 Kilometer durch die Berge des Balkan 11/ Bosnien/ Wölfe



Früh am nächsten Morgen erreiche ich das Ufer des Busko jezero, eines in den 70' er Jahren entstandenen Stausees. Noch ist kein Mensch weit und breit zu sehen, daher nutze ich die Gelegenheit zu einem Bad in dem angenehm warmen Wasser.



                                                   Busko jezero

Als sich der Pfad vom See entfernt, treffe ich Medan, einen einheimischen Läufer, der den relativ kühlen Morgen für eine Runde nutzt. Wir unterhalten uns spontan einige Zeit lang. Mein Gesprächspartner hat Jura studiert, meint aber, dass es in Bosnien mit seiner Ausbildung fast unmöglich ist, einen Job zu finden, wenn man nicht über Beziehungen verfügt....
Die Bevölkerung in dieser Gegend ist kroatisch- katholisch, weshalb starke Bindungen nach Kroatien bestehen. Die bosnischen Kroaten hätten meist auch einen Pass des Nachbarlandes, weshalb viele junge Leute in der EU, häufig in Deutschland arbeiten würden. Daher stamme auch der offensichtliche Wohlstand dieser Gegend. 


                  Ich begegne einem bosnische Läufer

Bald gelange ich wieder an die erstaunlich verkehrsreiche Straße. Zwar gibt es mitunter die Möglichkeit auf einen Fahrweg auszuweichen, aber im Großen und Ganzen ist das Wandern hier unangenehm und ermüdend!
Bei Grabovica ragt eine Betonruine oberhalb des Seeufers auf, offenbar war hier mal ein Hotel geplant...
Umso erstaunlicher ist der große Komplex des Eco Selo Grabovica. Die Anlage ist neu und wirkt sehr modern. Offenbar hat man hier ein wohlhabendes einheimisches Klientel im Blickwinkel. Über dem Weiler ragt eine riesige Christusstatue auf. Offenbar spielt die Religion hier, im kroatischen Teil Bosnien- Herzegowinas eine große Rolle, wie ich auch später wiederholt feststellen sollte.
Zurück an der Straße begegnen mir zwei ältere Wanderer. Der eine der Beiden lebt in Deutschland und ich erfahre, dass sie vorhaben, in nur zwei Tagen 120 Kilometer zu pilgern. Ob sie das schaffen werden?


                                    Pilger

Bevor ich auf die Brücke gelange, die über einen Arm des Stausees führt, sehe ich bei einem Restaurant, wie sich eine Ziege am Spiess dreht. 


                     gegrillte Ziege

In Prisoje, auf der anderen Seite, treffe ich auf die ersten Schilder der Via Dinarica! Hier in Bosnien- Herzegowina wurde das Projekt einen Weitwanderweg anzulegen, von den USA und den Vereinten Nationen gefördert, daher werde ich ab jetzt häufiger auf solche Schilder treffen und auch weite Abschnitte des Weges, die in jüngster Zeit hergerichtet wurden. Damit liegen die zahlreichen schwierigen Abschnitte, die die Via Dinarica in Kroatien gekennzeichnet haben, erst einmal hinter mir...


                      Die ersten Schilder auf der Via Dinarica

Es gibt hier auch einen kleinen Laden, daher lasse ich mir die Gelegenheit auf eine kalte Eisportion nicht entgehen...
Nach dem Bosnjak B u. B, das auf dem Schild erwähnt wird, halte ich übrigens intensiv Ausschau, entdecke aber keinen weiteren Hinweis auf die Unterkunft...
Endlich verlasse ich die Straßen und wandere weiter entlang der Pilgerroute bergauf.


                     Schatten für Pilger

Nachdem ich die Straße die Richtung Tomislavgrad führt überquert habe, wandere ich auf einsamen Fahrwegen über den mit Gras und Buschwerk bewachsenen, aussichtsreichen Höhenrücken Gradac.


                   Breiter Hügelrücken


                         Die Heuschrecke fühlt sich wohl bei mir


               Kleinstrukturierte Flur bei Tomislavgrad



Laut den Schildern soll es hier auch einige Höhlen geben, die mir aber leider verborgen bleiben, auch als ich später noch einen Abendspaziergang unternehme.



                Lager auf dem Gradac Plateau


                      Beeren tragende Sträucher


                         Weite Landschaft

Obwohl ich hier nicht sehr weit von besiedelten Gebieten entfernt bin und auch eine Hochspannungsleitung durch die Hügel verläuft, fallen mir am nächsten Morgen in ca. 300 Meter Entfernung auf einem Hügel drei recht große Tiere auf. Ich schaue noch einmal genau hin und es gibt nicht den geringsten Zweifel: Dort vorne starren mich drei große Wölfe bewegungslos für einen Moment an, bevor sie weitertrotten. Nach einigen Schritten bleiben sie stehen und sehen sich noch einmal nach mir um, bevor sie dann endgültig verschwinden! 
Wow, damit hatte ich nicht gerechnet, aber ein tolles Erlebnis! Ich hatte Wölfe zuvor schon zweimal im Himalaja gesehen, die waren aber deutlich kleiner...


In dieser Umgebung sehe ich die Wölfe






















                                                                 Wolfsland

Als absoluten Kontrast zu dieser Begegnung mit den Symbolen der Wildnis höre ich bald Baustellenlärm und sehe dann auch Bulldozer arbeiten. Wahrscheinlich sollen hier Windräder gebaut werden. Die deutsche Firma Strabag ist dabei...
Glücklicherweise ist die Via Dinarica bisher weitgehend von dieser landschaftsästethischen Pest, die die Industrialisierung auch in bisher weitgehend von der modernen Welt ausgesparte Landschaften trägt, verschont geblieben. Hoffentlich bleibt das so, auch wenn es hier gerade nicht danach scheint. Ich habe jedenfalls keine Lust durch "Windparks" zu wandern!
Es wäre fantastisch, wenn die Via Dinarica eine Art "Wildniskorridor" darstellen würde, auf dem solche industriellen "Erschließungen" nicht statt finden...


                           Erste Symptome der Windradpest

Dagegen scheint in dem kleinen Dörfchen, durch das ich bald darauf wandere, die Zeit fast stehen geblieben zu sein. Lediglich ein riesiges Denkmal, dass einen Partisan darstellt, zeigt, dass es hier auch Phasen der Unruhe gegeben hat.


                             Partisanendenkmal

Durch eine abwechslungsreiche, ziemlich offene Landschaft laufe ich auf einer Mischung aus Pfaden und Fahrweg weiter Richtung Bukuvica. Vielerorts zeugen Kreuze am Weg von der Religiösität der Menschen.
An einem Brunnen kann ich mal wieder meine Wasservorräte auffüllen.


Ich fülle meine Wasservorräte auf



Schon gegen Mittag färbt sich der Himmel wieder einmal schwarz und ein Gewitter rückt mit Riesenschritten heran. Da trifft es sich gut, dass ich in Bukovica in dem Restaurant Lovre einkehre. Während ich mir den leckeren Grillteller zu Gemüte führe, geht draussen ein Wolkenbruch begleitet von Blitz und Donner, nieder.


                         Restaurant Lovre in Bukovica

Die Währung in Bosnien heisst Marka, aber man kann hier, wie fast überall im Land auch problemlos in Euro bezahlen. In Bukovica gibt es übrigens auch einen Supermarkt. 
Nachdem ich den Ort durchquert habe, wandere ich etwa fünf Kilometer weit durch die weite, landwirtschaftlich genutzte Ebene von Duvanjsko Polje.
Hinter Omolje geht es oberhalb eines eingeschnittenen Bachtales aufwärts. Während des Aufstiegs schweift der Blick zurück über die gerade durchquerte flache Ebene.

                          Omolje mit Duvanjsko Polje

Stellenweise wächst viel Wachtelweizen, mit interessanten, zweifarbigen Blüten.

                            Wachtelweizen

Schließlich gelange ich auf den grasigen Gipfelgrat des Orlov Kuk. Auch wenn die Markierungen bis hierher nicht gerade üppig gesät waren, habe ich doch irgendwann stets wieder einen Farbtupfer entdeckt. Aber oben angekommen ist beim besten Willen kein Pfad mehr zu sehen. Schließlich laufe ich meinem Track folgend den Grashang steil abwärts, bis am Rand einer Freifläche wieder ein Weg beginnt. Hier stoße ich auch wieder auf Markierungen...

                              Orlov Kuk

Leider habe ich ein Problem mit meiner Kamera, das sich zusehends zu verschlimmern scheint. Einstweilen kann ich zwar noch meistens fotografieren, aber oft dauert es ziemlich lange, bis es funktioniert.
Bei einem Abendspaziergang sehe ich bereits das dunkle Massiv des Vran Berges aufragen und die hohen Berge von Cvrsnica, meine nächsten Ziele.
Der Weg in der Nähe ist eine selten befahrene Fahrspur, umso mehr wundere ich mich, als ich dort in der Nacht einen Wagen vorbeifahren höre. Nicht viel später fällt ein Schuss...
Bei strahlend schönem Wetter wandere ich am nächsten Morgen weiter über den breiten, meist offenen Hügelrücken in Richtung des Svinjar Berges.

                             Aussichtsreicher Höhenrücken

Ich werde aus meiner tollen Stimmung herausgerissen, als ich am Wegrand eine tote Wildkatze entdecke. Der Zusammenhang mit dem Schuss in der vergangenen Nacht drängt sich auf. Neben dem schönen, toten Tier liegt eine leere Bierdose. Hat der Schütze hier auf die gelungene Erlegung ein Bier getrunken? Wildkatzen sind auch in Bosnien- Herzgowina geschützt. Zwar wird die Art durch den Abschuss hier sicher nicht aussterben, dennoch bin ich erschüttert!

                           Tote Wildkatze

Der 1469 Meter hohe Svinjar ist lediglich die höchste Erhebung des Höhenrückens, der die Umgebung kaum überragt. Während der Kamm eher sanft ist, fällt der Berg nach Nordosten steil ab.

                                 Svinjar

Nach dem Abstieg gelange ich in ein breites Tal, in dem einige braune Kühe frei grasen. Wegmarkierungen sehe ich keine, aber das Grasland ist problemlos auch ohne Pfad zu durchqueren.

                    Tirol? Nein- Bosnien-Herzegowina!

Bald überquere ich eine Straße und tauche auf Forstwegen in große Kiefernwälder ein. Manche Leute scheinen hier ihr Freizeitdomizil zu haben, an einer Hütte gibt es sogar ein Volleyballnetz.
Auf einer großen Lichtung wirken die drei Hütten von Omar verlassen, und werden wohl nur noch als Unterstand zum Viehhüten verwendet. Immerhin gibt es aber einen Brunnen mit Eimer, aus dem ich meine Vorräte auffüllen kann.
Etwas später gelange ich nach Omrcenica. Dort spielen sogar Kinder und offensichtlich sind einige der Hütten bewohnt. Laut der Seite der Via Dinarica gibt es hier Übernachtungsmöglichkeiten, aber kein Schild weist darauf hin.
Einige Zeit danach verlasse ich endlich die Fahrwege und wandere auf schmalen Pfaden aufwärts. Da ich mir nicht sicher bin, ob ich weiter oben noch Holz finde, koche ich bereits im Buchenwald.
Glücklicherweise wurde der Weg durch die Latschen vor kurzem freigeschlagen, ansonsten wäre es wohl ziemlich schwierig hier vorwärts zu kommen...
Es scheint als sei in Bosnien- Herzegowina einiges an Energie in die Via Dinarica geflossen. Merkwürdig nur, dass es trotzdem noch solche Abschnitte wie gestern gibt, wo der Pfad und die Markierungen einfach mal aufhören und dann irgendwann wieder da sind. War die Farbe alle? Wer weiß...

                 Frei geschlagener Wegabschnitt

In einem geschützten Kessel schlage ich mein Zelt auf. Da ich ja bereits gekocht und gegessen habe, bleibt noch Zeit für einen Abendspaziergang. Dazu wandere ich aufwärts bis zum Gipfel des fast 2000 Meter hohen Mali Vran.

                        Der Gipfelgrat des Vran im Abendlicht

Kurz bevor es endgültig dunkel wird, erreiche ich wieder mein Lager.

                           Lager unterm Vran Berg

Bei strahlend schönem Wetter wandere ich am nächsten Morgen etwa zwei Kilometer über den Kamm des Vran und genieße dabei tolle Ausblicke.

                           Kammwandern

Schließlich erreiche ich den Gipfel des 2020 Meter hohen Berges. Mein erster 2000'er auf der Via Dinarica!

                                       Vran

Die Abstiegsroute ist mehr oder weniger weglos und über weite Strecken nur ziemlich sparsam markiert.
Schließlich gelange ich in die weite, trockene Grasebene am Blidinje See. Die Berghütte, die es hier gibt, liegt offenbar etwas abseits, denn ich bekomme sie nicht zu sehen.

                              Trockene Grasebene

Am Ende der Ebene führt ein Pfad durch teilweise sehr dichte Wacholderbestände. Irgend jemand hat hier in regelmäßigen Abständen Wimpel der Via Dinarica verteilt. Ein Reiseunternehmen, dass den Weg bereits vermarktet?

               
                             Dichter Wacholder

Das Franziskanerkloster Masna Luka wirkt groß und neu. Leider kann ich zunächst nicht ausmachen, wo der Pfad weiter geht. Dafür entdecke ich bei der Suche eine schöne Quelle die unter einem Felsen hervor tritt. Das gute Wasser scheint bekannt zu sein, denn ich treffe dort auch andere Leute, die ihre Flaschen auffüllen. In der Nähe ein Stück die Zugangsstraße abwärts, liegt das Informationszentrum des Naturparks Blidinje, dass ich aber nicht aufsuche. Schließlich stoße ich ein Stück weit in dichtes Gebüsch vor, und entdecke schließlich auch wieder die üblichen rot-weißen Markierungen. Durch dichte Bestände der nur hier vorkommenden Munika Kiefer, aber auch schönen, gemischten Wald steige ich stetig aufwärts. Schließlich laufe ich lange Zeit durch ausgedehnte Latschenkieferflächen. Wie gut, dass der Pfad hier freigemacht wurde!
Bei herrlichem Wetter erscheint voraus bereits der massive Klotz des  2117 Meter hohen Veliki Vilinac, dem höchsten Berg von Herzegowina. In diesen einsamen Bergen kommt bei mir so etwas wie "Wildnisfeeling" auf. Obwohl es über Tag schön und warm war, sinkt die Temperatur hier auf 1800 Meter nach Sonnenuntergang rasch auf nur 5 Grad Celsius!

                                   Veliki Vilinac






             





































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