Auf dieser Etappe geht es lange entlang des Kamms der Stillwater Range, der wohl wildesten und schwierigsten Bergkette auf dem Desert Trail! Wir haben faszinierende Begegnungen mit Mustangs und Schlangen und erleben beeindruckende Gewitter sowie Sandstürme.
Mit Proviant für 7 Tagen und 6 Litern Wasser sind wir bereits um 7:30 morgens wieder unterwegs. Bald sind wir am Highway 50, einer einsamen Straße, der wir einige Zeit lang folgen. Zu unserer Überraschung gibt es hier sogar einen fließenden Bach, den wir schließlich durchwaten müssen, als wir die Straße verlassen. Anschließend folgen wir Fahrspuren durch eine weite Ebene am Rand der Berge. In einiger Entfernung sehen wir ein braunes und ein schwarzes Wildpferd, die offensichtlich nichts mit uns anfangen können. Immer wieder ziehen sie ein Stück weit in unsere Richtung um dann wieder ein Stück wegzulaufen. Die Mustangs hier sind übrigens keine wirklichen Wildpferde, sondern stammen alle von Pferden ab, die von Menschen hierher gebracht worden waren.
Außerdem sehen wir einige Gabelböcke. Diese antilopenartigen Tiere passen perfekt zu den weiten Ebenen.
Nach unserer Mittagspause im Schatten eines Felsen passieren wir einen sogenannten „Wildlife Guzzler“. Regen der auf das gewellte, schräge Blechdach fällt, wird über eine Rinne zu einem Tank unter dem Dach geleitet. Durch den Schatten dort, verdunstet das Wasser kaum und steht den Wildtieren auch in längeren Trockenperioden zur Verfügung. Allerdings ist die Anlage eingezäunt, man will so wohl Kühe und Pferde fern halten. Wir lassen uns jeder einen Liter des wunderbar kühlen Wassers schmecken und laufen dann weiter. Während wir langsam höher in die Wonder Mountains steigen, gelangen wir aus dem Bereich der Wüstensträucher in die Sagebrushzone. Ein Gabelbockweibchen schnaubt auf einem Felsen über uns. Offenbar warnt das Tier so Artgenossen. Es gibt hier in den Wonder Mountains viele alte Fahrwege, da hier ehemals Gold und Silber gefördert wurden. Als wir abwärts in einen Wash laufen, bemerken wir 6 Wildpferde mit einem Fohlen in der Nähe eines Wasserlochs. Die hübschen Tiere lassen uns ziemlich nah herankommen, so dass wir vor allem das niedliche Fohlen bewundern können. Schließlich galoppieren die Pferde aber doch davon. Ein Stück weiter beobachten wir einen stattlichen Hengst auf einem Hügelkamm und sehen eine etwa 20-köpfige Herde. Wir passieren einen weiteren kleinen Guzzler und beziehen dann ein Cowboycamp, bevor sich die weite Dixie Ebene öffnet.
Am nächsten Morgen folgen wir Fahrspuren über die Ebene, die von der US-Navy für Flugübungen genutzt wird. Die berühmte „Topgun“ Basis befindet sich ganz in der Nähe. In der Mitte der Ebene fließt sogar schmutziges Wasser in einem Kanalbett und wir sehen entfernt 3 weitere Wildpferde.
Mittags machen wir Pause im Schatten einer Felswand, wo es in einem eingezäunten Bassin etwas schmutziges Wasser gibt. Anschließend folgen wir einem Tal, dass aus der Stillwater Range kommt. Die Landschaft wird immer grüner und ist stellenweise von einem fantastischen, gelben Blumenteppich bedeckt. Plötzlich gelangen wir an einen üppig sprudelnden Bach, der aus den Schneefeldern weiter oberhalb gespeist wird. Dagegen weist die Northside Spring, ein Bassin ohne Zulauf nur trübes Wasser auf. Aber glücklicherweise können wir 3,5 Liter aus dem Bächlein auffüllen, etwas was sicher nur in schneereichen Jahren möglich ist. In einem Seitental steigen wir dann lange steil bergauf zu einem Pass auf 2300 Meter Höhe, dem Kamm der Stillwater Range, die sich über 100 Kilometer weit erstreckt. Laut dem Guidebook von Steve Tabor ein „Ort zu dem niemand je geht“. Wir hören es kurz donnern und fürchten, dass ein Gewitter im Anmarsch ist. Dennoch folgen wir dem Bergkamm weiter bis zum Gipfel des Mount Lincoln auf 2611 Meter. Zwar bleibt uns das Wetter hold, aber aus dem Guidebook des Desert Trail wissen wir, dass es auf dem Grat der Stillwater Range hier kaum Zeltmöglichkeiten gibt. Schließlich steigen wir ein Stück ab und bauen auf einem winzigen Absatz nur mein Zelt auf, da es nicht genügend Platz für zwei gibt. Trotz der langen Wanderung über die Ebene, sind wir heute 1400 Meter hoch aufgestiegen.
Am nächsten Morgen setzen wir unsere Wanderung auf dem Kamm fort. Es geht viel rauf und runter, daher wir sind entsprechend langsam. Es gibt zwar noch eine ganze Reihe Schneefelder, diese können wir aber meist gut umgehen. Bereits um 9 Uhr erreichen wir den Gipfel des 2661 Meter hohen Job Peak, der uns tolle Aussichten in die Ebene zum großen Stillwater Lake, über dichte Nadelwälder und Schneegrate gewährt. In dem Gipfelbuch von 1986 finden wir mal wieder den Eintrag von Buck 30!
Die weitere Wanderung auf dem Grat ist nicht zu schwierig, aber dann müssen wir ein ganzes Stück extrem steil durch loses Geröll absteigen. Dabei balancieren wir wie auf rohen Eiern um keine Lawine auszulösen und haben dann schließlich einen Sattel erreicht, von dem aus der weitere Abstieg einfacher ist. Wir folgen einem Wildpfad im Hang, überschreiten einen weiteren Gipfel und steigen dann ins Tal der Poco Spring auf 1900 Meter ab, wo uns ein plätschernder Bach inmitten von Weiden empfängt und wir unsere Mittagspause im Schatten verbringen. Anschließend steigen wir wieder 200 Höhenmeter steil auf, bis wir eine Piste erreichen, die über die Bergkämme führt. Das Terrain ist hier viel sanfter, obwohl es immer noch viel auf- und ab geht. Dann begegnen uns die ersten Menschen, seitdem wir den Highway 50 hinter uns gelassen haben, Drei Männer, eine Frau und 5 Kinder, die mit ihren futuristisch anmutenden ATV’s einen Wochenendausflug unternehmen. Obwohl das nicht unsere Fortbewegungsart ist, unterhalten wir uns gut, und zu allem Überfluss bekommen wir dann noch Unmengen von Riegeln und anderem Essen geschenkt! Genau richtig, da wir nicht mehr Lebensmittel als unbedingt nötig mitschleppen, um an Gewicht zu sparen.
Ein Stück weit folgen wir dann noch der Piste und steigen schließlich weglos auf dem Grat weiter. Entfernt donnert es und der Himmel hat sich verdunkelt, daher schlagen wir schon um 16:30 unser Lager im Schutz eines Berghangs auf. Gerade rechtzeitig, denn bald regnet und hagelt es heftig. In der Nacht kommt dann starker Wind auf, der Geräusche wie ein Düsenflugzeug verursacht. Glücklicherweise ist unser Platz recht gut geschützt, dennoch halte ich die Zeltstangen bei den Windböen fest um sie zu stabilisieren.
Am Morgen ist es wieder ruhig und wir sehen den orangen Feuerball der Sonne über der Ebene aufsteigen. Wir folgen weiterhin dem Kamm, der jetzt in niedrigerer Höhe verläuft und daher dicht bewaldet ist. Stellenweise müssen wir uns regelrecht durch das Dickicht der Pinyon Kiefern winden. Auch das viele Totholz macht das Vorankommen mühsam, langsam und anstrengend. Dabei ist der Kamm keineswegs flach. Oft sehen wir die nächste hohe Erhebung lange Zeit bevor wir sie erreichen. Allerdings erhalten wir in der dichten Vegetation nur selten einen Ausblick. Zwar ist die Stillwater Range nicht sehr breit, aber dafür umso wilder. Wahrscheinlich kommt nur sehr selten ein Mensch hier rauf. Langsam machen wir uns Sorgen, dass wir zu langsam sind. Werden unsere Vorräte reichen? Von unseren Vorgängern Buck 30 und Dirtmonger wissen wir, dass sie den Kamm der Stillwater Range nicht komplett gelaufen sind, werden wir das schaffen?
Immerhin können wir unsere Wasserflaschen mit Schnee auffüllen und erhalten so herrlich kaltes Wasser. Schließlich steigen wir lange durch den Wald auf einem Rücken ab. Es donnert schon wieder, daher bauen wir an einer flachen Stelle unser Zelt auf, gehen dann aber nach einiger Zeit weiter, da das Gewitter nicht zu uns zieht. Der Shady Run Canyon ist zunächst trocken, aber nach einiger Zeit stoßen wir auf ein Rinnsal, was aber rasch wieder versiegt ist. Ein Stück weiter schlagen wir dann unser Lager auf, und entdecken etwas weiter talabwärts tatsächlich ein gut fließendes Bächlein aus dem wir uns 6 Liter abfüllen. Später donnert es dann wieder, regnet aber nur einige Tropfen.
Am nächsten Morgen laufen wir zunächst den Seitencanyon ein Stück hoch und laufen dann lange über dicht bewaldete Hügel. In diesem unübersichtlichem Terrain ist die Orientierung nicht ganz einfach, daher schauen wir sehr häufig in unsere Kartenapp. Nach einem sehr steilen Abstieg erreichen wir schließlich den Cottonwood Canyon, in dem einige hohe, grüne Pappeln wachsen und ein murmelnder Bach sich durch die Weiden schlängelt. Wir folgen der Schlucht einige Zeit, was nicht allzu schwer, aber sehr langsam ist und steigen dann nach oben raus. Hier erhaschen wir einen Blick auf die Salzebenen jenseits der Berge und steigen dann weniger schroff in den Rampart Canyon ab. Dieser ist zunächst recht breit und einfach zu laufen, aber schon bald biegen wir in einen schmalen, steil ansteigenden Seitencanyon ab. Auch hier fließt ein Bächlein und wir bahnen uns durch Totholz und Heckenrosen unseren Weg. Zweimal müssen wir hohe Stufen umgehen und steigen dann irgendwann nach rechts aus. Damit liegt diese sehr mühsam zu laufende Schlucht hinter uns. Wir folgen dann einem Rücken zu einem Kamm, auf dem felsige Klippen zweimal den direkten Weg versperren und wir zunächst eine gangbare Route finden müssen, was aber gut funktioniert. Wir steigen dann ein ganzes Stück ab, während 8 Truthahngeier über uns kreisen. Ok, wir sind langsam, aber dass wir vielleicht aus der Luft halbtot erscheinen, ist uns neu. Schließlich geht es wieder hoch in sehr dichten Wald. Offenbar gibt es hier einige Kühe, deren Wege wir teilweise benutzen können. Manchmal müssen wir uns aber auch mit einiger Anstrengung durch das Geäst zwängen. Schließlich finden wir einen schönen Lagerplatz auf dem Kamm, von wo unser Blick bis zum Lincoln Peak zurückreicht. Wir haben heute lediglich 12 Kilometer zurückgelegt, dennoch sind wir zufrieden, mit diesem anstrengendem Tag in den wilden Bergen und Canyons der Stillwater Range.
Am Morgen schlagen wir uns weiter durch den unwegsamen, niedrigen Nadelwald. Anke läuft schneller und ich bin genervt. Gerade morgens lasse ich mir gerne beim Wandern Zeit, denn zu dieser Zeit sieht man viel mehr als später am Tag. Wenn wir uns auf die Nerven gehen, was selten vorkommt, wenn man berücksichtigt, dass wir hier fast ständig zusammen sind, ist es am Besten, wenn wir eine Zeit lang getrennt voneinander laufen, wie wir schon einige Male festgestellt haben. Also trennen wir uns auch diesmal wieder und ich bin gespannt, wo wir uns wieder treffen werden…
Die grauen Häher, die hier herumschwirren, könnten einen fast glauben machen, irgendwo in einem Nadelwald der Rocky Mountains zu sein. Außerdem singen einige Vögel und die Luft riecht würzig nach Kiefernnadeln.
Auf einem offenen Felsberg, der eine schöne Aussicht gewährt, treffe ich Anke wieder. Die Stillwater Range ist hier ziemlich schmal, so dass man gut auf die Salzpfannen blicken kann, die sich rundherum erstrecken. Nichts desto Trotz sind die Berge mit schroffen Hängen und tiefen Canyons nur schwer zugänglich. Eine seltene, kostbare Wildnis!
Die Cowflop Spring erweist sich als trocken, glücklicherweise finden wir in der Nähe ein Altschneefeld, aus dem wir unsere Flaschen füllen können. Ab hier wird das Terrain einfacher und wir folgen häufig alten Kuhpfaden. Schließlich gelangen wir in offenere Sagebrush Vegetation. Die Mudspring erweist sich trotz üppig grünem Gras als trocken, dafür entdecken wir etwas unterhalb ein fließendes Bächlein aus dem wir uns versorgen können. Zunächst wandern wir dann auf einem Rücken über dem Tal weiter, bis wir auf eine Fahrspur stoßen. Zweimal begegnen wir Wildpferden und gelangen dann schließlich an den größeren Kettle Creek. Zunächst verläuft der Weg in der Schlucht des Baches, führt dann aber aus dem Tal durch offenere Flächen, zwischen bunten Felsen. Es wimmelt hier von Heuschrecken, wir beobachten zwei Dornechsen bei der Paarung und eine hübsche, rot-schwarz gebänderte etwa 30 Zentimeter lange Schlange windet sich davon. Dann rasselt eine fette Klapperschlange vor uns auf dem Weg und zieht sich in einen Busch zurück.
Später entdecken wir einen geschützten Lagerplatz am Rand des Tales, was uns ziemlich wichtig ist, da es nach Regen aussieht. 5 Tage haben wir in der Stillwater Range verbracht, der wildeste Wildnis auf dem Desert Trail in Nevada!
In der Nacht gibt es dann ein Gewitter mit viel Regen, so dass Wasser im gestern noch trockenen Wash in unserer Nähe fließt! Ein Häschen und eine Kängururatte haben das Unwetter nicht überstanden.
Wir laufen auf eine „Pforte“ zwischen den Bergen zu und gelangen dann auf die weite Ebene der Carson Sink. Wir hören das Heulen von Koyoten aus zwei Richtungen und ein Wildpferd zieht auf uns zu, als Anke das Schnauben eines Mustangs imitiert. Zunächst wandern wir durch lockeren Strauchbewuchs, dann durch bewachsene Dünen in der ausgedehnten Salzebene. Stellenweise sind die Dünen nur von einem dunklen Belag aus Moosen und Flechten bedeckt, der kryptobiotischen Erde. Das ist der Auftakt dazu, wie das Leben langsam steril erscheinende Sand- und Steinflächen besiedelt.
Am Rand der Ebene erreichen wir die eingezäunte Dead Horse Spring, wo es aber nur wenig schlammiges Wasser gibt, und wir uns nur ein bisschen von der Brühe abfüllen. Es sieht jetzt wieder stark nach einem Gewitter aus und ein 550 Höhenmeter Anstieg zum Kamm des Cloud Peak liegt vor uns. Dennoch beschließen wir weiterzulaufen, denn oft haben wir ja schon erlebt, dass Gewitter vorbei ziehen, ohne uns zu treffen. Nichts desto Trotz beeilen wir uns sehr, nach oben zu kommen, da es ziemlich gefährlich werden kann, in Blitz und Donner über den Kamm zu laufen. Da merken wir mal wieder, wie sehr ein bisschen Adrenalin uns pushen kann. Zunächst sehen wir entfernt über der Ebene der Carson Sink eine gewaltige Windhose aus aufgewirbeltem Staub in die Höhe steigen, dann erscheint eine regelrechte Sandwand, bedrohlich vor den megadunklen Wolken. Schön, dass wir nicht in den Sandsturm laufen…
Kurz vor dem höchsten Punkt auf 1850 Meter Höhe schlagen wir dann aber doch unser Zelt auf einem flachen Absatz auf. Aber wir haben Glück, lediglich einige starke Windböen erschüttern unsere schützende Nylonbehausung, dann ist das Unwetter vorbei gezogen. Schon nach lediglich 50 Minuten laufen wir weiter. Auf dem Cloud Peak gibt es seit 2018 ein Gipfelbuch, das allerdings nur zwei Einträge enthält…
Wir folgen noch ein Stück den Grat abwärts und steigen dann in eine Schlucht ab, die schließlich von steilen Wänden eingefasst wird. Eine hohe Granitstufe müssen wir umgehen und hören irgendwann die Warnrufe von Vögeln. Weit oben in der Steilwand entdecken wir einen Horst aus zusammengesuchten Ästen, das Nest des Wanderfalkenpaars, dass dort wahrscheinlich seine Jungen hat, und daher vor uns warnt.
Wir wollen die seltenen Vögel nicht weiter stören und laufen daher bald weiter. Schließlich schlagen wir auf einer Kiesterrasse nach wenigstens 32 Kilometern unsere Zelte auf.
Am nächsten Morgen gelangen wir schon bald aus dem Canyon in die weite Ebene des Columbia Rivers, wo sich streckenweise große, grüne Alfalfa Felder erstrecken. Bereits um 10.30 erreichen wir dann Lovelock. Einen Ort an einer Autobahn I 80, der offensichtlich schon bessere Zeiten gesehen hat. Es gibt zahlreiche geschlossenen Läden und Motels. Immerhin finden wir am Ortsende ein Lunch Buffet mit Pizzen und Salat und können das gute Internet vor der Bücherei nutzen. Wir waschen Wäsche in einem Waschsalon und gehen im Family Dollar einkaufen. Neben Lebensmitteln für 5 Tage, erwerbe ich dort auch Socken, einen Pullover und ein dringend benötigtes neues T-Shirt. Schließlich übernachten wir dann in einem Motel.
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