Die ersten Kilometer des Morgens laufen wir am Rande des Schwemmlandes. Spannend wird es, als wir den Mündungsbereich der Kaldakvisl in den Hagöngulon erreichen. Der Gletscherfluss fliesst hier nämlich in einer Schlucht und wäre eigentlich ein großes Hindernis! Glücklicherweise gibt es eine Brücke...
Wir tippen zunächst auf einen Zusammenhang mit der Wasserkrafterzeugung, aber ein Schild belehrt uns eines Besseren: In der Nähe gibt es eine Kontrollstation zur Überwachung von Gletscherläufen.
Was ist ein Gletscherlauf? Eine ganze Reihe der isländischen Vulkane schlummern unter den Eiskappen der Gletscher. Wenn sie ausbrechen, schmelzen sie Unmengen von Schnee und Eis, die dann in gigantischen Strömen in tiefere Bereiche fließen. Um rechzeitig vor solchen Ereignissen warnen zu können, gibt es ein Netz von Messpunkten, häufig auch an entlegenen Stellen der Insel.
Ein schöner Morgen
Bald tauchen wir in das riesige Lavafeld Hagönguhraun ein. Zunächst gestaltet sich das Vorankommen in dem Chaos scharfkantiger Lavabrocken ziemlich schwierig, und wir fürchten schon, dass wir sehr lange Zeit in dieser Vulkanwüste verbringen werden...
Das Lavafeld Hagönguhraun
Glücklicherweise gibt es immer wieder aber auch sandige oder kiesige Bereiche, die flottes Ausschreiten erlauben.
Hier kommen wir gut voran
Es gibt hier zwar auch einige Wasserläufe, die aus dem Vatnajökull kommen, diese stellen aber kaum ein Hindernis für uns da. Kein Vergleich zu der Landschaft am Hofsjökull...
Stellenweise ist das Lavagestein von einem Teppich
aus grauen Flechten bewachsen
Vincent ortet unsere Position auf dem Smartphone
Obwohl wir uns über weite Strecken stark auf den Weg konzentrieren müssen, ist die Stimmung bei dem schönen Wetter heute sehr gut. Vincent ist ein interessanter Gesprächspartner, daher gehen uns die Themen für unsere Unterhaltungen so schnell nicht aus!
Es gelingt uns zwar nicht ganz das Ende der Lavawüste zu erreichen, aber wir sind nach 17 Kilometern Luftlinie erschöpft genug um das Lager aufzuschlagen...
Es gibt hier auf den ersten Blick zwar kein Leben, dennoch sehen wir ein Schneehuhn!
In dem lockeren Vulkansand sind die Häringe nicht besonders fest...
Obwohl wir die Zelte mit Steinen so gut wie möglich verankern, ist uns klar, dass wir ein Problem haben werden, wenn starker Wind aufkommt...
Lager im Lavafeld Hagönguhraun
Das hier tückische Gefahren lauern können, erfährt Vincent am nächsten Morgen, als er durch die Schneedecke in eine Spalte zwischen den Lavabrocken einbricht. Glücklicherweise bleibt es bei dem Schreck...
Tückische Spalten lauern unter dem Schnee
Zum ersten Mal auf unserer Wanderung folgen wir über eine längere Strecke einer mit gelben Pfählen markierten Piste. Oft ist sie allerdings unter dem Schnee verschwunden, daher macht es keinen großen Unterschied ob wir weglos laufen, oder auf dem Weg gehen. Dieser stellt allerdings die Ideallinie hier am Rand des Vatnajökull dar.
Karge Landschaft am Rand des Vatnajökull
Es ist kaum zu glauben, sehr selten setzt ein Polster von Blumen einen Farbtupfer in die schwarze Landschaft.
Wie schaffen es die Blumen hier zu überleben?
Am Nachmittag erreichen wir nach 17 in Luftlinie zurückgelegten Kilometern, die Hütte Jökulheimar. Hier treffen wir einige Geologen, die uns verraten, dass sie die vulkanische Aktivität unter dem Gletscher überwachen. Die Fahrspur, in der wir gelaufen sind, stammt auch von ihnen.
Für Vincent ist es ein großes Glück, dass wir den Isländern begegnen, denn sie schenken ihm eine Tube dringend benötigte Sonnencreme. Es ist heute ziemlich sonnig, daher kommt der Sonnenschutz wie gerufen!
Langsam trifft das ein, was Vincent mir schon seit langem versprochen hat: Die Landschaft wird deutlich grüner!
Ohne Zweifel haben die kargen Landschaften des zentralen Hochlandes ihren Reiz, allerdings bevorzuge ich auf die Dauer doch abwechslungsreichere Gegenden...
Die Landschaft wird langsam grüner
Bald werden wir an der Tungnaa eintreffen, einem mächtigen Gletscherfluss, den wir mit unseren Packrafts befahren wollen. Ich sehe dem Fluss mit ziemlich gemischten Gefühlen entgegen. Einerseits freue ich mich auf die Abwechslung des Paddelns und das damit verbundene kleine Abenteuer. Andererseits gibt es auch eine ganze Reihe von Dingen, über die ich mir Gedanken mache: Wir wissen nur sehr wenig über den Fluss, immerhin scheint es keine großen Stromschnellen auf dem Abschnitt zu geben, den wir befahren wollen. Dennoch ist der Wasserstand von Gletscherflüssen häufig stark schwankend. Was heute noch ein gemächliches Flüsschen ist, kann bei zunehmender Wärme und damit verbundener Schnee- und Eisschmelze rasch zu einem reissenden Mahlstrom werden. Und dann wäre da noch die Temperatur, die in solchen Flüssen kaum über der 0 Gradmarke liegt. Ohne Neopren- oder Trockenanzug überlebt man nicht lange in so kaltem Wasser bei einer Kenterung. Aus Gewichtsgründen haben wir keine Kälteschutzausrüstung dabei...
Werde ich den Schwierigkeiten des Flusses gewachsen sein? Und was ist mit Vincent, der so gut wie gar keine Erfahrung im packraften hat...
Schließlich treffen wir am Fluss ein, und gleich fallen eine ganze Reihe meiner Sorgen von mir ab! Die Strömung ist zwar flott, aber schwieriges Wildwasser sieht anders aus! Offenbar haben wir einen günstigen Wasserstand erwischt.
Das Abenteuer Tungnaa beginnt!
Bald sind die Boote aufgeblasen und Vincent hat seine Gopro Kamera angebracht, mit der er unsere Befahrung filmen will.
Dann beginnt das Vergnügen! Der Fluss ist wirklich rasant, so dass wir nur so durch die Gegend schiessen. Dabei ist die Gegend mit ihren von grünem Moos überzogenen schroffen Vulkanbergen einfach fantastisch. Dann und wann fahren wir durch eine kleine Stromschnelle mit einigen Wellen, aber es gibt keine Felsen im Fluss auf die wir achten müssen. Dagegen gilt unsere Aufmerksamkeit bald im Wesentlichen dem Problem, immer den wasserreichsten Arms zu erwischen, denn die Tungnaa verzweigt sich deltamäßig in ein Gewirr unzähliger Arme in einem kilometerbreiten Tal von alaskanischen Ausmaßen.
Trotz des geringen Tiefgangs unserer Boote berühren wir dann und wann den Grund und laufen auch einige Male auf. Davon ist meist Vincent betroffen, der schwerer als ich ist.
Den Spass trübt ein wenig das kalte Wasser. In den Wellen bleibt es nicht aus, dass davon trotz Spritzdecke eine nennenswerte Menge im Boot landet. Auf Dauer wird man so auch trotz Gore- Texjacke und Regenhose ziemlich nass und damit auch kalt. Besonders übel ist Vincent dran. Er hat sich sein Raft von einem Freund geliehen, der kleiner als er ist. In dessen ebenfalls recht kleinem Packraft kann er die Spritzdecke nicht schliessen...
Ansonsten ist die Fahrt ein echter Höhepunkt der Tour und macht viel Spass!
Irgendwann sind aber leider die meisten Vergnügungen zu Ende...Wir haben einen Arm mit zu wenig Wasser erwischt, und obwohl wir mit den Booten eine ganze Strecke laufen, finden wir auch keinen wasserreicheren Teil der Tungnaa mehr. Da es ohnehin schon spät ist, laufen wir durch das breite Tal zum festen Ufer und schlagen unser Lager auf. Obwohl es zunächst nach schlechtem Wetter aussieht, wird es ein traumhafter Abend, an dem noch lange das sanfte Licht des nordischen Sommers die weitläufige Flusslandschaft erleuchtet.
Abend an der Tungnaa
Ein schöner Abend
Das breite Tal der Tungnaa
Nach Sonnenuntergang
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