Auf dieser Etappe geht es wieder in die Schweiz, wo ich eine nette Einladung erhalte, den Calanca Höhenweg laufe und schließlich im Osogna Tal bis auf 270 Meter über dem Meer absteige.
Hat jemand behauptet, dass es in Italien kein gutes Frühstück gibt? Ich kann das jedenfalls nicht bestätigen, was ich schon morgens um 7 Uhr in Campodolcino bekomme, ist gut und sättigend.
Hinter dem Ort führt ein Pfad steil nach oben zu dem Weiler Splughetta, sehr malerisch in der Sonne am Hang gelegen. Diese kleinen Dörfchen auf Absätzen im Hang sind fantastische Plätze zum Relaxen, so mein Eindruck. Aber natürlich steige ich weiter hoch...
Splughetta
Ich benutze eine Mischung aus Sträßchen und Pfaden, und lasse in Cort Sana schließlich die letzten Häuser hinter mir, als ich weiter ins Val Sancia laufe. In dem schönen Hochtal grasen Kühe und entfernt beobachte ich einen Steinadler.
Val Sancia
Nachdem ich das Tal verlassen habe, geht es recht steil aufwärts, zum Passo Sancia auf 2579 Meter, der die Grenze zur Schweiz darstellt.
Auf dem Pass halte ich meine Mittagsrast. Obwohl der Aufstieg ziemlich schweißtreibend war, fühle ich mich ziemlich gut. Wieviel doch etwas Erholung und gutes Essen ausmachen!
Noch während ich die Sonne genieße, wird es im Hang gegenüber schwarz und ich kann Regenvorhänge fallen sehen. Bei einem Gewitter will man nicht auf einem Pass stehen! Rasch packe ich meine Sachen und sprinte über Schneefelder und Schotter nach unten, wohl wissend, dass mich das Unwetter bald erreichen wird.
Ein Gewitter kommt auf
Doch diesmal habe ich Glück: Ich entdecke einen Überhang, der mir gerade genug Schutz gewährt, als der Regen beginnt. Obwohl die Schwärze des Himmels dramatisch ist, ist das Gewitter bei mir dann aber nicht sehr stark, und schon nach einer Dreiviertelstunde ist der Spuk vorbei.
Der weitere Abstieg entpuppt sich dann aber als steil und ziemlich schwierig in Geröll, Grünerlen und hohem Gras. Manchmal führt der Pfad an Wasserfällen vorbei, die von Felsstufen herab stürzen.
Abstieg am Rand von Wasserfällen
Schließlich regnet es erneut, aber glücklicherweise habe ich einen Absatz erreicht, wo ich mein Zelt aufschlagen kann.
Zum Abendessen genieße ich dann Fladen und Butter, die ich gestern gekauft habe. Als dann ab 19:30 die Sonne wieder erscheint, funkelt die frisch gewaschene Landschaft.
Am nächsten Morgen ist es mild und feucht. Bald erreiche ich den Fichtenwald, der weiter unten Linden, Ulmen und Hasel weicht. Bereits gegen 9 Uhr erreiche ich Mesocco, ein Städtchen an der Autobahn im Moesa Tal auf 800 Meter Meereshöhe. Jetzt am Sonntag Morgen ist noch nichts los auf der Straße.
Mesocco
Bald steige ich durch den Wald wieder auf, und erreiche Ceta, heute offenbar eine Wochenendsiedlung mit sieben Häusern. Es führt keine Straße hierher, dafür gibt es eine Materialseilbahn.
Als ich an einer Hütte vorbei komme, vor der etliche Leute sitzen, werde ich spontan eingeladen, mich dazu zu setzen! Ich erfahre, dass gestern der Schweizer Nationalfeiertag war, und mehrere Familien daher das ganze Wochenende hier oben feiern. Zwar lehne ich das angebotene Bier ab, werde aber dennoch mit allerlei Köstlichkeiten wie Brot Käse, Honig, Kaffee und Kuchen super versorgt! Obwohl die Gegend noch zu Graubünden gehört, spricht man hier italienisch, einige Leute können aber auch deutsch. Als ich von meiner Wanderung erzähle, erfahre ich, dass früher mehr Weitwanderer vorbei gekommen sind, dies aber stark nachgelassen habe. Die Via Alpina führt hier entlang, ein Weg der die ganzen Alpen durchquert. Einige Leute aus der Gruppe haben sogar an einem neuen Höhenweg mitgewirkt, dem Sentiero Alpino Calanca, auf den ich heute noch gelangen sollte.
Mit vollem Bauch und beschwingt von der netten Gesellschaft verabschiede ich mich schließlich wieder.
Eine nette Begegnung
Zunächst geht es im Lärchenwald recht flach weiter, bis ein kurzer Anstieg mich zum Pass Bocchetta di Trescolmen auf 2161 Meter führt.
Obwohl heute Sonntag ist, habe ich noch keinen Wanderer getroffen und genieße es die Gegend für mich zu haben.
Bocchetta di Trescolmen (2161 m)
Unterhalb des Passes liegt der malerische See Lago di Trescolmen, an dem es gute Zeltmöglichkeiten gibt. Ich will allerdings noch weiter...
Lago di Trescolmen
Kurz nach dem See liegt eine kleine, braune Schlange mit Zick-Zackmuster gezeichnet auf dem Pfad. Ja, ich bin hier in südlichen Gefilden...
Ich bin jetzt auf dem Sentiero Calanca, der teilweise recht ausgesetzt durch die steilen, felsdurchsetzten Grashänge über die Bocchetta Buscanel (2166 m) in Richtung des Rifugio Ganan führt.
Dummerweise habe ich mal wieder nicht genügend Wasser dabei, und hier auf dem Höhenweg ist die Chance auf ein Bächlein zu stoßen ziemlich gering. Aber ich habe doppeltes Glück: Nachdem ich mein Lager auf einem Absatz aufgeschlagen habe, gehe ich auf Wassersuche und stoße tatsächlich auf ein meist unterirdisch dahingluckerndes Rinnsal, aus dem ich an einer Stelle tatsächlich meinen Vorrat auffüllen kann! Es beginnt zu regnen, also haste ich schnell zurück zum Zelt, was ich dann auch tatsächlich rechtzeitig erreiche, bevor es richtig zu schütten beginnt!
Am nächsten Morgen ist es feucht und kühl. Bald erreiche ich das Rifugio Ganan, was von dem Verein erbaut wurde, von dem mir die Leute gestern erzählt hatten. Vor allem das Klo ist geradezu unglaublich, mit Wasserspülung und Spiegel! Schweizer Wertarbeit auch in den Bergen!
Das Thermometer hier zeigt lediglich 5 Grad an!
Der Sentiero Calanca führt weiter am Hang entlang aufwärts zum Piz Ganan auf 2414 Meter. Zwar ist der Pfad stets schmal und teilweise ausgesetzt, aber nie zu schwierig. Unterhalb des Hangwegs liegt das Calancasca Tal. Zeitweise brummen Hubschrauber, die offenbar entlegene Alpen versorgen. An einer Stelle muss eine steile Schlucht passiert werden. Das sieht ziemlich abenteuerlich aus, ist wegen der guten Sicherungen aber problemlos machbar.
Steiler Abstieg in eine Schlucht
Obwohl der Weg weiter im Hang verläuft, sind die Höhenunterschiede recht groß, die im Auf und Ab bewältigt werden müssen.
Sentiero Alpino Calanca
Wie bereits gestern, habe ich auch heute den Weg fast für mich alleine. Nur einmal, gegen Mittag begegnet mir ein ein Paar.
Oberhalb der Alpe Aion wird eine Ziegenherde unter Rufen vom Berg getrieben. Offenbar sind auch in der Schweiz manche Almen auf die Ziegenhaltung spezialisiert.
Hinter dem Bergvorsprung Motta del Perdul auf 2003 Meter geht es hinab in den Bergwald. Gerade rechtzeitig, denn jetzt beginnt es mal wieder zu gewittern...
Wieder habe ich Glück und finde einen kleinen Überhang, der mich aber nicht vollständig schützen kann.
Da es nicht aufhört zu regnen und ich zunehmend auskühle, breche ich schließlich wieder auf und finde schließlich abseits des Weges einen Zeltplatz, wenn auch mal wieder ziemlich schräg...
Auch am nächsten Morgen regnet es zunächst noch, hört dann aber auf, als ich nach Selma im Calancasca Tal absteige. Ich halte mich dort nicht auf, sondern steige sofort wieder auf, an dem hübschen Ort Landarenca vorbei, zu dem keine Straße führt. Hier bin ich etwas verwirrt, denn der Weg nach Lego in der mapout- app existiert offenbar nicht. Schließlich finde ich aber doch einen Pfad durch die Haselgebüsche aufwärts. Im einsamen Lärchenwald geht es dann weiter zur Alpe Pian di Fuori, wo offenbar gerade Ziegenkäse hergestellt wird. Jetzt über der Baumgrenze folge ich dem Val di Gabines zur Bocchetta di Pianca Geneura. (2370 m), die den Übergang ins Tessin markiert.
Aufstieg zum Pass Bocchetta di Pianca Geneura (2370 m)
Ich bin jetzt wieder auf dem roten Weg der Via Alpina, wie mir ein Schild verrät.
Via Alpina
Ein felsiger Abstieg führt mich zum grasigen, flachen Absatz der Alpe d' Örz am Ursprung des Osogna Tals. Die Almhütten wirken verlassen und die Stelle ist einfach zu idyllisch um weiter zu gehen!
Ein toller Zeltplatz
Es ist den ganzen Nachmittag schon ziemlich windig, aber im Schutz einiger Felsblöcke steht mein Zelt halbwegs sicher. Später unternehme ich dann noch einen langen Abendspaziergang zum Passo del Mauro auf etwa 2400 Meter. Die Aussichten über das Tal und die Berge in der vom Wind klar geblasenen Luft sind fantastisch. Als für mich neue Tierart auf dieser Tour beobachte ich sogar zweimal Rothühner.
Abendspaziergang zum Passo del Mauro (2400 m)
Als ich mich wieder meinem Lagerplatz nähere, glaube ich meinen Augen kaum zu trauen: Zwei weitere Zelte haben sich dazu gesellt!
Es handelt sich um zwei getrennt voneinander laufende, sympathische Schweizer Paare mit denen ich mich noch ein wenig unterhalte.
Die Nacht ist ziemlich windig, so dass meine Zeltbahn laut knattert und ich nur schlecht schlafe. Dafür erwartet mich dann am nächsten Morgen ein schöner Sonnenaufgang.
Der lange Abstieg ins Osogna Tal entpuppte sich dann bald als wahrhaft spektakulär: Wasserfälle, dicht bewachsene Hänge, deren Vegetation mit abnehmender Höhe immer üppiger wird, kunstvoll in den Hang geschnittene Stufen und kühne Bogenbrücken, dann und wann weiter unten einige Häuser. Toll!
Kunstvolle Treppen
Vor Osogna komme ich durch ausgedehnte Esskastanienhaine, mit eichenähnlichen, knorrigen Stämmen, und pflücke tatsächlich einige frühe Weintrauben.
Osogna gefällt mir nicht besonders und ich laufe durch das verkehrsreiche Tal des Ticino nach Lodrino, wo ich im Denner Supermarkt einkaufen will. 11:59 bin ich da, und der kleine Laden schließt eigentlich erst um 12 für seine Mittagspause, aber ich werde trotzdem nicht mehr eingelassen...
Was solls, relaxe ich halt erst einmal 2 Stunden hier in der Hitze auf nur 270 Meter über dem Meer. Als der Laden dann doch auf macht, gönne ich mir erst einmal einen Liter Orangensaft und einen 2,5 Liter Eimer Vanilleeis. Eindeutig zu viel, da mir jetzt der nächste schweißtreibende Aufstieg bevor steht...
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