4 Tage, 84 Kilometer, 4961 hm Anstieg
Nachdem ich aus Namibia zurück bin, verbringe ich etwa eine Woche zu Hause und breche dann mit meiner Freundin Anke in die Pyrenäen auf. Wir wollen zunächst auf der Pyrenäen Hochroute (HRP) etwa 800 Kilometer weit vom Mittelmeer zum Atlantik wandern. Teile der Route kenne ich bereits von einer anderen Tour im Jahr 2010, aber die HRP ist kein markierter, eindeutiger Weg, sondern es gibt viele Varianten, daher wird der größte Teil unserer Wanderung wohl auch für mich Neuland sein.
Nach 21 Stunden Bus- und zuletzt Bahnfahrt kommen wir gegen 7:30 Uhr in Cerbère am französischen Mittelmeer an. Dort wollen wir unsere Wanderung auf der Pyrenäen- Hochroute ( HRP ) beginnen. Diese ist kein offizieller Wanderweg, sondern eine etwa 800 Kilometer lange Route mit vielen Varianten, die stets möglichst dicht am Hauptkamm der Pyrenäen bis zum Atlantik führt.
Die meisten Wanderer starten im Nachbarort Banyuls-sur-Mer, aber uns erscheint ein Start in Cerbère attraktiver. Und tatsächlich laufen wir bald über hohe Klippen, die steil zum Mittelmeer abfallen. Nicht viel später geht es landeinwärts stetig aufwärts. Die Pyrenäen beginnen hier tatsächlich am Meer! Es ist heiß und uns steckt die lange Busfahrt in den Knochen, daher halten wir fast drei Stunden Siesta im spärlichen Schatten eines Baums. Später führt uns dann ein steiniger Pfad zu einem felsigen Grat, dem wir ab jetzt lange folgen. Irgendwann steigen wir aber ein Stück ab, um zur Font Jordana zu gelangen, einer in unserer Kartenapp eingezeichneten Quelle. Zunächst kommen wir aber an eine alte Steinhütte, die sich jemand als Übernachtungsstätte hergerichtet hat.
200 Meter entfernt finden wir tatsächlich die Quelle, wo herrlich kühles Wasser aus einem Rohr sprudelt. Es ist warm und schön, daher beschließen wir vor der Hütte unter freiem Himmel zu übernachten. (Cowboycamping). Zu unserer Überraschung tauchen dann noch drei Leute auf: José, der mit seinen 14 und 16 Jahre alten Söhnen Martin und Juan ebenfalls auf der HRP wandern will. Ein tolles Abenteuer für die Familie. Während die drei etwas entfernt ihr Zelt aufbauen, schlafen wir unter Mond und Sternen.
In der Nacht regnet es zu unserer Überraschung einige Tropfen und am Morgen ist die Landschaft in Nebel gehüllt, und das am Mittelmeer! Dennoch ist die Vegetation trocken. Wir folgen dem felsigen Grat weiter und steigen dann von 765 bis auf 365 m am Col de Banyuls ab, bevor es wieder bis auf knapp 1000 m am Pic de Salfort geht. Hier erwartet uns eine komplett andere Landschaft mit Weiden voller brauner Kühe. Einmal verlassen wir den Kamm und wandern durch schönen Buchenwald, der uns stark an Zuhause erinnert. Zurück am Kamm wird es sehr düster und bald beginnt ein Gewitter, das wir unter der Zeltplane an einen Felsen angelehnt, halbwegs trocken überstehen. Danach hat der Wind den Nebel weggeblasen und wir können Sonne und blauen Himmel genießen. Jetzt sehen wir auch die höheren Berge der Pyrenäen. Ein toller Vorgeschmack auf die kommenden Wochen!
An der offenen, unbewirtschafteten Hütte Refuge de Tagnarede finden wir von anderen Wanderern zurück gelassene Linsen und Couscous und ich nehme zwei große Schlucke Schnaps aus einer ebenfalls in der Hütte stehen gelassenen Flasche…
Wir folgen jetzt dem GR 10, einem Fernwanderweg der auf der französischen Seite die Berge durchquert, und hier der HRP entspricht. Einmal verlieren wir kurz den Pfad und gelangen an ein Bächlein, wo wir unsere Wasservorräte auffüllen können. Genau rechtzeitig, denn bald beginnt es zu regnen und wir schlagen auf einem kaum benutztem Weg unser geräumiges 2- Personen Zelt auf.
Am nächsten Morgen geht es zunächst noch durch Buchenwald, dann Mittelmeervegetation mit vielen Eichen. Von einem Aussichtspunkt sehen wir die Festung Bellegarde über Le Perthus und steigen dann lange bis auf lediglich 300 Meter Höhe ab. Vor dem Ort sehen wir geschälte Korkeichen, deren Stämme unten rot leuchten. In dem Grenzort gibt es einige Supermärkte, die hauptsächlich Alkohol und Süßigkeiten im Angebot haben. Auch im zweiten Markt entdecken wir weder Müsli noch Haferflocken und weichen daher auf Kekse zum Frühstück aus. Immerhin gönnen wir uns noch einige kleine Schokoladenkuchen als Zwischenmahlzeit. Hinter dem Ort laufen wir lange Zeit auf Fahrwegen und passieren eine große Farm von „Naturisten“, die Ziegen halten und viele verschiedene Arten von Gemüse anbauen. Eine eigene Variante des Wegs führt uns über einsame Graspfade in dichtem Buschwald. Dann trennen wir uns für einige Zeit, weil Anke lieber auf der Straße laufen will, um zusätzliches Rauf- und Runter zu vermeiden. Immerhin entdeckt sie dabei einige interessante Tentakelpilze.
Wieder zusammen steigen wir erst auf einem Fahrweg, dann auf einem schönen Pfad auf zum ehemaligen Kloster Les Salunes. Während wir hier unseren Wasservorrat auffüllen, taucht ein junges, deutsches Paar auf. Er läuft die HRP in 5 Abschnitten von jeweils 10 Tagen und wird auf dem letzten Teil von seiner Freundin begleitet. Während die Beiden offensichtlich etwas mehr Komfort und Hygiene brauchen, merken wir, dass unsere Art zu Wandern sich stark davon unterscheidet…
Das Paar will hier zelten, wir hingegen steigen weiter auf zu einem Pass, und da es uns dort nicht besonders gefällt, weiter hoch im Buchenwald, wo die ersten Weißtannen auftauchen, während es zu regnen beginnt. Schließlich schlagen wir im Wald abseits des Pfads an einer halbwegs ebenen Stelle unser Lager nach 29 Kilometern und über 1500 Höhenmetern Aufstieg auf. Heute kochen wir mit Gas, bequem in der Zeltapsis.
In der Nacht gewittert und regnet es viel und am Morgen ist es ziemlich kühl, so dass wir in Fleecepullovern loslaufen.
Ein Pfad führt uns durch den Buchenwald zu einer Felskanzel von der wir das schroffe, dicht bewaldete Terrain überblicken können. Stellenweise ist die Vegetation noch ziemlich nass, so dass unsere Hosen durchnässt werden, was aber nicht schlimm ist, da mittlerweile die Sonne erschienen ist. Alte Pfade führen uns am Hang entlang langsam tiefer. Alter Mauern, die Ruinen eines Gebäudes und viele Esskastanien zeigen, dass die Gegend einst viel intensiver genutzt wurde. Heute kommt in viele Ecken der steilen, buschigen Wälder wahrscheinlich nur noch selten ein Mensch, dafür hören wir ein Wildschwein grunzen und sehen eine Blindschleiche.
Schließlich steigen wir zu dem auf lediglich 200 Meter Höhe gelegenen Amélie-les-Bains ab, wo wir einen Kilometer entlang der Straße laufen um zum Aldi zu gelangen, wo wir für 6 Tage einkaufen. Anschließend schlagen wir uns erst mal den Magen mit Baguette, Wurst, Keksen und einer Möhre voll, bevor wir steil aus dem Arles Tal aufsteigen. Nachdem wir trockene Eichenwälder durchquert haben, finden wir am Rand einer großen, mittelalten Kiefernaufforstung einen schönen Übernachtungsplatz, von dem wir bis zurück zum Mittelmeer blicken können.
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