2,5 Tage, 75 Kilometer
Nach dem tollen Frühstück im Damaralandcamp unterhalte ich mich noch ein wenig mit dem Manager Colin, der seit 6 Jahren hier arbeitet. Er stammt aus dem Caprivizipfel im Norden des Landes, wohnt mittlerweile aber mit seiner Familie im hundert Kilometer entfernten Khorixas. Nach jeweils 6 Wochen Arbeit im Camp hat er zwei Wochen frei. Schließlich verabschieden wir uns und ich laufe mit 13,5 Litern Wasser schwer bepackt im Sonnenaufgang los. Eine Fahrspur, die nicht in meiner Karte verzeichnet ist, führt mich über einen kleinen Pass, von dem aus ich den Ausblick auf die markanten Berge im Morgenlicht genießen kann. Die Landschaft ist sehr steinig, aber meist kann ich Fahrspuren oder Wildwechseln folgen. Schließlich gelange ich auf den Fahrweg vor Vrede. Für die ersten als Route eingezeichneten drei Kilometer bin ich sechs gelaufen! Leider leckt einer meiner Wassercontainer am Verschluss, daher habe ich schon eine ganze Menge der lebenswichtigen Flüssigkeit verloren…
Vrede ist das erste Damaradorf, das ich passiere. Es besteht aus etwa sieben Anwesen vor denen teilweise Geländewagen geparkt und Satellitenschüsseln befestigt sind. Eine Frau grüßt mich freundlich, dann liegt das Nest hinter mir.
Ich folge ab jetzt der D 6217, die aber nicht mehr als ein schlechter Feldweg ist. Den ganzen Tag lang begegne ich keinem Auto…
Zu meiner Überraschung komme ich nach einigen Kilometern an einem Anwesen vorbei, das gerade neu gebaut wird. Es gibt sogar schon einen Gemüsegarten!
Ein älterer Mann der sich kurz mit mir unterhält, meint, dass mein Vorhaben über die Berge nach Palmwag zu gehen unmöglich sei. Außerdem warnt er mich vor den Löwen…
Der Weg führt zu einem steinigen Pass, von dem aus ich in ein Becken mit recht vielen, lindgrünen Mopanebäumen schauen kann, die an ihren schmetterlingsförmigen Blättern gut identifiziert werden können.
Dieses Muster von Anstieg und Becken unterhalb einer steilen Gebirgsmauer, wiederholt sich einige Male. Es gibt dort immer auch Behausungen, die aber einen verlassenen Eindruck machen. Zwei Bohrlöcher die ich passiere sind trocken. Allerdings scheinen hier doch noch Leute zu leben, denn mir begegnen drei Ziegenherden, die eine wird von einem kleinen Hund bewacht.
Mittags mache ich nur eine halbe Stunde Pause, mit trockenem Wildfleisch (Biltong) vom Damaraland Camp.
Als ich schließlich nach 31 Kilometern kurz vor 18 Uhr mein Cowboycamp ein Stück abseits des Weges aufschlage, bin ich kaputt, müde und hungrig. Dann schaffe ich es den Topf mit Wasser vom Kocher zu kippen und verschütte einiges Wasser aus meinem Becher. Heute geht auch alles schief!
Da ich nur wenig Wasser für den zweiten Kochversuch in den Topf schütte und dementsprechend nur wenige Nudeln kochen kann, außerdem zu wenig trinke, bin ich auch nach dem Essen noch hungrig und durstig, während eine Fledermaus dicht bei mir vorbei flattert. Früh in der Nacht höre ich dann Stimmen, Pferdehufe und vielleicht ein Gespann auf dem Weg. Glücklicherweise habe ich mein Zelt nicht aufgeschlagen und bin in dem kleinen Trockental nicht zu sehen. Mitten in der Nacht wiederholt sich das dann noch mal. Sehr merkwürdig! Harmlose Leute, die den Mond in der Kühle der Nacht ausnutzen, oder wird hier die Beute von Wilderei abtransportiert?
Ich bin jedenfalls froh, dass man mich nicht bemerkt. Das wäre vielleicht anders, wenn ein Hund dabei wäre…
Nachdem ich Haferflocken und zerkrümelte Kekse gegessen habe, bin ich um 6:15 wieder unterwegs. Hier auf 800 Meter ist es im Gegensatz zum Camp am Ugab, das lediglich auf 200 Meter liegt, morgens recht kühl. Der Mond ist schon verschwunden, daher laufe ich im Licht meiner Stirnlampe und kann den herrlichen Sternenhimmel genießen. Zum Sonnenaufgang verlasse ich den Fahrweg und laufe durch steiniges, welliges Terrain querfeldein zum Teil auch auf Wildwechseln. Alte Dunghaufen zeugen von der Präsenz der Elefanten. Überall wachsen locker Mopanebäume. Dann folge ich ein Stück einem Weg, der in meiner Karte eingezeichnet ist. Irgendwann sehe ich eine kleine Umzäunung mit 2 Zelten und zwei Personen. Mein erster Impuls ist mich zu verstecken, aber da ich vermute, dass es ein Rangercamp ist und man mich vielleicht schon gesehen hat, laufe ich schnurrstracks dort hin. Ein Mann im T-Shirt erwidert meinen Gruß deutlich unwirsch. Ich stelle mich vor und sage was ich mache. Der Mann der keine Uniform trägt, sagt dass er Polizist sei und ich hier nicht laufen darf, da es sich um ein Naturschutzgebiet handelt. Ich erzähle von dem Polizisten am Ugab, der kein Problem mit mir hatte. Schließlich versuchen sowohl die Frau von der örtlichen Conservancy als auch der Polizist ihre Vorgesetzten zu erreichen. Ich kann dann auch mit der Frau von der kommunalen Naturschutzvereinigung sprechen, erreiche aber nichts. Ohne Permit, dass vorab beantragt werden muss, darf ich nicht weiter. Vor allem hebt sie darauf ab, dass das Laufen hier wegen der Wildtiere gefährlich sei. Der Polizeikommandant weist den Polizisten dann noch an, meine Personalien aufzunehmen. Ich bin ziemlich geknickt und rechne damit zurück laufen zu müssen, aber der Polizist sagt, ich soll auf einer nicht in meiner Karte eingezeichneten Fahrspur zur Grootberg Lodge laufen. Super, dass ist ja meine geplante Route, bis auf das letzte Stück über die Berge nach Palmwag!
Nach einer Dreiviertelstunde laufe ich sowohl frustriert, als auch erleichtert weiter.
Der Weg führt meist oberhalb des breiten, mit Mopane bestandenem Tals weiter und steigt immer mal wieder zu einem Aussichtspunkt an. Ein älterer Ranger der Conservancy in Uniform mit Fernglas und Fotoapparat kommt mir entgegen. Er trägt keine Waffe und ist ziemlich entspannt, dass ich hier herumlaufe. Allerdings sei es noch sehr weit und ich müsse im Busch übernachten, was mir aber sowieso klar ist. Auf seinem Fotoapparat zeigt er mir Bilder von einer Nashornkuh mit Kalb, die er heute Morgen neun Kilometer von hier entfernt gemacht hat.
Etwas später lege ich lediglich eine Dreiviertel Stunde Mittagspause ein, bei der ich Nüsse vom Damaraland Camp esse. Nachmittags verläuft die Route meist im Tal, das jetzt deutlich dichter bewachsen ist. Neben gelbem Gras, sprießen auch einige grüne Halme. Links ragt stets die Bergmauer mit gewaltigen Tafelbergen auf. Überall sind jetzt Wildspuren zu sehen und tatsächlich rechne ich stets mit einer Begegnung. Zweimal beobachte ich Zebras. Mit der einen Gruppe flüchten sogar 9 Springböcke. Eine Giraffe die Mopane Blätter frisst, bemerkt mich zunächst nicht, so das ich sie in Ruhe fotografieren kann. Natürlich sehe ich auch Vögel, wie Hornvögel mit rotem Schnabel und die kleinen Papageien, die ich schon aus der Naukluft kenne.
Nach 27 Kilometern schlage ich schließlich mein Lager an einer offenen Stelle unter einem Felshang auf. Heute war ein toller Tag in einem fantastischen Tal. Afrika wie ich es liebe!
In der Nacht höre ich etwas sehr schweres vorbei stapfen. Bestimmt ein Elefant!
Als ich am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang losgehe, ist es recht kühl hier auf tausend Meter Höhe. Das Tal wird zunehmend steinig und trocken. Nichts desto trotz folge ich eine ganze Zeit einer frischen Elefantenspur. Herunter gebrochene Äste und fast noch dampfende Dunghaufen verraten, dass er nicht weit vor mir sein kann. Leider bekomme ich den Dickhäuter trotzdem nicht zu Gesicht. Vier rötliche Falken kreisen dicht über mir und einmal sehe ich eine flüchtende Giraffe.
Hoch über mir an der Kante des steilen Grootbergs sehe ich bereits die Gebäude der Lodge.
Etwas später passiere ich die Überreste eines Kadavers.
Fellreste an den großen Knochen verraten, dass das einmal eine Giraffe war. Wurde sie von Löwen gerissen?
Bereits gegen 12 Uhr, nach 17 Kilometern erreiche ich die Straße unterhalb des Grootberg Pass. Passenderweise gibt es dort einen Schattenbaum, denn ich will die 20 Kilometer von hier nach Palmwag trampen. Zwar habe ich damit eine kleine Lücke in meiner Nordnamibitraverse, aber das Laufen auf dieser großen Piste erscheint mir zu langweilig. Nach kurzer Zeit hält bereits das zweite Auto, das vorbei kommt. Dem Logo auf ihrem Wagen nach zu deuten, scheinen die beiden Insassen von einer Behörde zu sein und wundern sich, wo ich her komme und ob ich keine Angst vor den Löwen hätte…
Auf der Fahrt sehen wir Springböcke und eine Giraffe, dann steige ich an der Tankstelle außerhalb von Palmwag aus. Ich hatte gehofft, hier vielleicht Lebensmittel kaufen zu können, es gibt aber nur Kraftstoffe.
Ein Stück weiter gelange ich an die große Palmwag Lodge. Da ich innerhalb der Palmwag Konzession weiter laufen will, frage ich nach einem Permit. Eine Hotelgruppe hat hier von den örtlichen Gemeinden ein riesiges Gebiet von etwa der doppelten Größe des Saarlands für touristische Zwecke gepachtet. Eine Frau wird aus einem Büro geholt, die mir rigoros erklärt, dass Fußgänger und Radfahrer wegen der Gefahren durch die Tiere nicht in das Konzessionsgebiet dürfen. Ich will nicht schon wieder Ärger, der diesmal vielleicht ernster wäre und beschließe schweren Herzens meine Route umzuplanen. Gerade auf das Stück am Hoanib, wo es viel Wild geben soll hatte ich mich gefreut. Ich richte mich in meinem Chalet ein, dusche und telefoniere dann mit Anke. Ich nehme an, auf dem zweiten Abschnitt meiner Afrikareise, den ich im Wesentlichen mit dem Packraft durchführen will, bekomme ich noch mehr Genehmigungsprobleme, daher beschließe ich die Reise hier in Namibia zu beenden. Einerseits ist das frustrierend und bitter, andererseits freue ich mich aber sehr darauf mit Anke durch die Pyrenäen zu wandern!
Im kleinen Laden der Lodge kaufe ich Essen für die nächsten vier Tage und schlage mir abends am Buffet den Bauch voll. Besonders gut gefällt es mir hier allerdings nicht. Zu sehr Massenbetrieb für meinen Geschmack…
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