8. Omalo-Artana 5 Tage, 58 Kilometer, 4664 Höhenmeter Aufstieg
Auch hinter Omalo wandern wir auf dem nächsten Abschnitt unserer Kaukasus Wanderung lange über aussichtsreiche Kämme weiter durch Tusheti.
Nach einem guten Frühstück im Guesthouse laufen wir zunächst durch den weitläufigen, relaxt wirkenden Ort Omalo mit seinen unbefestigten Straßen. Hängematten baumeln vor manchen Häusern und es gibt Angebote Pferde auszuleihen. Omalo ist der Ort in Georgien, der mir am Besten gefällt.
Wir überqueren den Alazani noch einmal über eine Brücke, laufen noch eine Zeit lang durch eine Mischung aus Wald- und Weideland und folgen dann einem deutlichen Pfad steil bergauf durch den Kiefernwald. Offenbar sind auf dem Weg häufiger Pferde unterwegs. Ein Packpferd hat einen Teil seiner Last verloren, eine Menge Kartoffeln, Zwiebeln und Knoblauch liegen am Boden. Eine willkommene Bereicherung unseres Speiseplans!
Als das Terrain abflacht, sehen wir in rot an einen Baum gezeichnet einen Hund mit Ausrufezeichen. Offensichtlich eine Warnung!
Glücklicherweise ist an der Hütte, an die wir bald darauf gelangen, weder Mensch noch Tier zu sehen. Offensichtlich sind sie noch auf der Weide!
Der Wald wird offener, mit sehr knorrigen Kiefern und Birken und schließlich bewegen wir uns oberhalb der Baumgrenze. Wir umgehen eine Schafherde weiträumig und steigen zu dem kleinen Oreti See auf, an dem eine Steinruine steht und wir Omalo tief unter uns liegen sehen.
Am nächsten Morgen folgen wir Viehwegen bis auf 2800 Meter Höhe. Wir beobachten eine pfeifende Gämse und viele Bienenfresser, die hier in der Höhe auf Insektenjagd sind. Schon früh können wir überblicken, wo wir in das Tal des Gomitsiris Alazani steil absteigen und es ebenso schroff auf der anderen Seite wieder hoch geht. Mehr oder weniger weglos erreichen wir über einige Stufen den Bach auf lediglich 1900 Meter Höhe, den wir problemlos barfuß durchwaten. So sehr wir auch suchen, den Pfad, der auf der anderen Seite weiter führen soll, entdecken wir nicht. Daher beschließen wir ohne Weg den Steilhang in Angriff zu nehmen. An einer Stelle wird das Terrain sehr schroff und wir benötigen auch unsere Hände um höher zu klettern. Ich bin mir keineswegs sicher, ob wir hier nicht in einer Sackgasse enden werden, aber schon bald stoßen wir auf den Pfad, der sich in Serpentinen weiter aufwärts schlängelt. Aus dem Birkenwald hören wir das schrille Heulen von Motorsägen und sehen zwei Männer, die das eingeschlagene Holz von drei Packpferden abtransportieren lassen. Bald gelangen wir an ein ziemlich großes Schäferlager, zu dem die Männer das Holz geschafft haben. Drei große Hunde schießen heran, von denen einer ziemlich aggressiv wirkt. Glücklicherweise erscheint dann einer der Pferdemänner und vertreibt die Hünde mit Steinwürfen. Anschließend folgen wir den Viehpfaden im Hang bis auf 2600 Meter Höhe bevor wir zum Chabalakhi Bach in der Nähe des Abano Passes absteigen. Ganz in der Nähe führt die einzige Straße nach Tusheti über die Gebirgskette. Wir steigen noch ein Stück weit im Tal wieder auf, und schlagen dann an einer kleinen, ebenen Stelle unser Lager auf.
Am nächsten Morgen geht es weiter hoch bis zu einem Pass auf etwa 2900 Meter Höhe, wo wir einige Königshühner sehen und rufen hören. Ab hier folgen wir deutlichen Schafpfaden weiter im Hang. Im Gegensatz zum Westkaukasus macht das dichte Netz der Viehwege das Wandern hier deutlich einfacher. Als wir eine große Schafherde erblicken, die in unsere Richtung zieht, versuchen wir mit Rufen den Schäfern zu signalisieren, dass es vielleicht besser ist, um uns herum zu laufen. Wir fürchten, dass die fünf Hunde, die die Herde begleiten, auf uns aggressiv reagieren werden. Aber die Schafe bleiben stur auf dem Pfad und ziehen unmittelbar an uns vorbei. Die Hunde, die sehr effizient von den Hirten mit Pfiffen gelenkt werden, beachten uns kein bisschen. Was für ein Unterschied zu Rumänien, wo jede Begegnung mit einer Schafherde etwas Dramatisches hat!
Da vor uns ein langer, wahrscheinlich ziemlich schwieriger Grat liegt, schlagen wir schon mittags unser Lager auf. Auch in 3000 Meter Höhe sind die Strahlen der Sonne Anfang September noch intensiv und heiß, so dass wir in der Wärme tatsächlich gemütlich einschlummern…
Da es hier kein Wasser gibt, unternehmen wir später noch einen Ausflug zu einem kleinen See und kehren über den Grat zurück zum Lager. Wir beobachten etliche Geier und andere Greifvögel, aber von Säugetieren ist nichts zu sehen.
Die Viehpfade enden hier, daher folgen wir am nächsten Morgen dem steilen, felsigen Grat weglos weiter, während die langsam höher steigende Sonne ständig neue Lichtstimmungen schafft. Irgendwann wird der Grat hinter dem Zenavi Berg zu schroff und wir weichen in den Steilhang unterhalb aus. Als wir später von der anderen Seite nach hier schauen, können wir es kaum glauben, dass wir durch dieses schroffe Gelände gelaufen sind, aber tatsächlich ist es weniger schwierig als es aussieht. Nur an einer Stelle gelangen wir an eine etwas kniffligere Felsstufen, wo wir unsere Wanderstöcke einpacken, da wir die Hände beim Klettern benötigen. Glücklicherweise ist das schwierigste Stück nur kurz, auch wenn ich zugeben muss, das ein wenig Adrenalin bei mir schon geflossen ist…
Nachdem wir zu dem jetzt grasigen Kamm zurückkehren wird das Wandern wieder einfacher. Wir überqueren einen Pass und folgen dann der Bergkette weiter, bis wir einen langen, steilen Abstieg zu einem Bach auf lediglich 1900 Meter Höhe in Angriff nehmen. Irgendwann tauchen auch die ersten Bäume wieder auf: Ahorne, Birken und dann auch Zerreichen und Orientbuchen. An manchen Stellen wachsen große Herbstzeitlose, die Krokussen ähneln. Am Bach können wir unsere Wasservorräte wieder auffüllen und entdecken einen Kolk, der tief genug für ein Bad ist. Von hier führt ein Pfad durch schönen Orientbuchenwald mit dicken, alten Bäumen hoch zu einem Absatz mit einem verfallenen Schäferunterstand, in dessen Nähe wir im Wald unser Lager aufschlagen. Auf dieser niedrigen Höhe ist es so warm, dass wir unsere Zelthaube nicht benötigen und mit Aussicht auf das Sternenmeer einschlafen dürfen.
Am nächsten Morgen lassen wir den Wald wieder hinter uns und wandern durch die Grashänge weiter. Stellenweise müssen wir tief eingeschnittene Erdrutsche umgehen und gelangen schließlich in ein bewaldetes Tal aus dem ein deutlicher Pfad zum Grasgrat des Kokhta Berges führt. Wir sehen entfernt Schäfer mit ihren Herden und später sogar eine Kuhherde nebst Hirten. Aus 2500 Meter Höhe beginnen wir schließlich den sehr langen, steilen Abstieg ins Tal des Okothis Tsquali. Als erstes tauchen wieder einige Ahorne auf, denen sich dann Eschen und Orientbuchen beigesellen, die bald den schattigen, dichten Wald prägen. Je tiefer wir gelangen, je trockener ist der Wald. Zahlreiche Blätter sind vertrocknet mit bräunlich gelber Farbe und an einem Südhang auf 1500 Meter Höhe sind viele der Orientbuchen abgestorben oder weisen zahlreiche trockene Äste in den Baumkronen auf. Offenbar wird auch hier das Klima heißer und trockener. Noch weiter unten wirkt der Wald fast mediterran mit Linden, Hopfenbuchen und Esskastanien. Die Wärme ist zwar sehr angenehm, aber irgendwie macht dieser trockene Wald einen traurigen Eindruck.
Nach einer warmen Nacht folgen wir dann dem Bachlauf abwärts. Der Wald wird hier immer wieder von kleineren Weideflächen unterbrochen und einmal kommt uns eine Kuhherde entgegen, die von einem Hund begleitet wird. Vor Artana entdecken wir einen Van mit deutschem Kennzeichen und es stellt sich heraus, dass die Familie aus Möhringen 5000 Kilometer in ihrem Urlaub hierher gefahren ist, um beim Bau eines Spielplatzes mitzuhelfen. Später nehmen uns die netten Leute noch ein Stück weit mit bis zur Hauptstraße. Zwar sind es nur noch 70 Kilometer bis zu dem Ort Lagodekhi, allerdings ist die russische Grenze nicht weit entfernt und es gibt hier offenbar keine Wege, daher trampen wir die Strecke mit vier verschiedenen Mitfahrgelegenheiten, durch Laubwaldhügel und Rebgelände auf lediglich 300 Meter Höhe.
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