Der nächste Abschnitt soll uns über eine wenig bekannte Route über lange Grate von Juta nach Omalo führen.
Am Morgen frühstücken wir zunächst 10 Rühreier mit Zwiebeln und Brot und brechen dann mit Proviant für 9 Tage im Rucksack wieder auf. Als wir an der Straße den Daumen raushalten, stoppt schon bald ein Minibus mit anderen Touristen, der uns für umgerechnet 13 Euro mit nach Juta nimmt, dem Ausgangspunkt unserer nächsten Wanderung. Bald ist die Straße nur noch eine Schotterpiste, aber glücklicherweise ist unser Fahrer kein typischer Raser. In dem kleinen, auf 2200 Meter gelegenem Ort Juta, brechen zahlreiche andere junge Wanderer zeitgleich mit uns auf, aber schon bald ergeben sich große Abstände zwischen den Gruppen, so dass wir nicht das Gefühl haben, der ausgetretene Wanderpfad sei überfüllt. Durch eine grasige Landschaft steigen wir langsam auf. Auch das abschüssigere Stück zum Grat, der zum Chaukhi Pass verläuft, ist dank Serpentinen nicht übertrieben steil. Schließlich erreichen wir den 3338 Meter hohen Pass. Der Kazbegi wirkt ganz nah und die zackigen Gipfel der Chaukhi Dolomiten sind eine Augenweide. Drei Geier kreisen über dem Pass, ein großer Trupp bunter Bienenfresser segelt auf der Jagd nach Insekten durch die Lüfte. Es wirkt auf mich sehr ungewöhnlich, diese eigentlich in warmen Gegenden beheimateten Vögel hier zu sehen, werde aber später noch feststellen, dass das im Ostkaukasus keineswegs ungewöhnlich ist. Karminrote Finkenvögel suchen nach Samen, während einige junge Burschen zu den Klängen einer Minigeige singen.
Auf dem Pass ist es windig und kühl, daher treten wir schließlich den langen Abstieg über Serpentinen im Schotter an. Schließlich erreichen wir die Umgebung dreier kleiner Seen, von denen einer türkis leuchtet. Da dort noch viele Leute zugegen sind, suchen wir uns einen ruhigen Zeltplatz ein Stück abseits in einer grasigen Mulde. In der klaren, frostigen Nacht zeichnet sich dann die Milchstraße mit unzähligen Sternen am Himmel ab.
Am Morgen steigen wir zunächst zu dem dritten, etwas höher gelegenem See auf, bevor wir durch die Graslandschaft zu dem kleinen Ort Roshka an einer Schotterstraße absteigen. Ab hier sehen wir keine anderen Wanderer mehr. Ein undeutlicher, aber sporadisch markierter Wanderweg führt zunächst weiter über dem Tal bevor er in den Wald aus Aspen und Eichen, aber auch Orientbuchen und Kiefern eintaucht. Auf 1450 Meter Höhe überqueren wir die Schotterstraße am Aragvi und steigen zunächst auf einem Fahrweg in Richtung Ghuli auf. Es ist jetzt sehr heiß, daher legen wir eine einstündige Pause im Schatten ein, während der ich Anke etwas vorlese. Schließlich verlässt unsere Route den Fahrweg, allerdings ist nichts von einem Pfad zu erkennen, so daß wir ein Stück weglos hangaufwärts laufen, bis wir auf einen Fahrweg zu dem 4-Häuser Weiler Chie stoßen, der nicht in unserer App eingezeichnet ist. Eines der Häuser scheint zumindest im Sommer noch bewohnt zu sein, und ein junges Mädchen spricht uns auf englisch an. Von hier führt ein Pfad weiter aufwärts und wir schlagen schließlich auf einer Lichtung im Birkenwald unser Lager auf. Es gibt hier kein Wasser, daher mache ich mich auf die Suche und werde schon nach kurzem an einem Bächlein in einer Schlucht fündig. Wir kochen Nudeln auf dem Hobo und erleben noch einen schönen Abend. Nachdem die Sonne verschwunden ist, wird es allerdings rasch frisch und wir ziehen uns ins Zelt zurück.
Als wir am nächsten Morgen weiterlaufen, verliert sich der Pfad und wir verrennen uns n schwer zu durchquerende Weidengebüsche. Ich bin genervt, als Anke die Führung übernimmt, es aber nicht danach aussieht, als würden wir eine bessere Route finden. Schließlich öffnet sich das Terrain aber doch und wir steigen teils weglos, teils auf Kuhpfaden 300 Höhenmeter steil aufwärts zu einem Grat auf 2200 Meter. Den Rest des Tages und auch fast den ganzen nächsten Tag wandern wir dann meistens auf aussichtsreichen, grasigen Kämmen weiter. Ab jetzt wird das Vorankommen zunächst etwas einfacher, bis wir auf den Hängen unterhalb des 2863 Meter hohen Likoki eine große Schafherde weiden sehen. Wir beschließen die Schafe am Hang zu umgehen, um eine Begegnung mit den die Herde sicher begleitenden Hunden zu vermeiden. Wir stoßen auf einen Pfad, dem wir folgen, bis plötzlich zwei Hunde vor uns im Gras liegen, die durch deutliches Knurren klar machen, dass sie uns nicht vorbei lassen wollen. Hinter ihnen scheint jemand am Boden zu legen, der allerdings auch nicht auf unsere lauten Rufe reagiert. Ich überlege schon einen Stein zu werfen, als der Mann sich erhebt, aber gleich wieder umkippt. Offenbar ist der Schäfer bereits am frühen Morgen stockbetrunken. Schließlich kommt er aber wieder auf die Beine, bleibt stehen, hält seine Hunde in Schach und lässt uns vorbei. Ein Stück oberhalb grast seine kleine Schafherde. Offenbar bewachen die Hunde weniger die Wolleträger als ihren Hirten…
Schließlich steigen wir im Gras steil und mühsam hoch zum Likoki, wo wir wieder auf den Grat gelangen. Ab jetzt wird das Wandern wieder etwas weniger anstrengend, obwohl meist kein Pfad zu sehen ist und es viel rauf und runter geht. Unterhalb des 3010 Meter hohen Khakmatis entdecken wir ein Bächlein mit Wasser, genau passend für unsere mittägliche Schokoladenpause, da es ansonsten nirgendwo Wasser gibt.
Anschließend steigen wir weiter zu dem Berg auf, und sehen entfernt eine Wandergruppe, die wohl vom unweit entfernten Datvis-Jvari Straßenpass gestartet ist. Wir beobachten Turmfalken, Kolkraben und Geier, außerdem fliegen einige Male Wachteln mit kleinen Küken vor uns auf. Weiter geht es im gelben Gras wo wir auf einer Anhöhe eine kleine Schafherde antreffen, die später von einem Schäfer geholt wird, der offenbar keinen Hund hat. Schließlich steigen wir zum Plateau des Borocha ab, wo wir unser Lager aufschlagen und ich in einer Schlucht unterhalb Wasser entdecke.
Das Wetter ist jetzt beständig sonnig und klar, offenbar typisch für den trockeneren Ostkaukasus. Daher präsentiert sich auch heute wieder ein herrlicher Sternenhimmel.
Am nächsten Tag folgen wir ständig einem gut sichtbaren Pfad, der teilweise im Hang verläuft. Einige steile Einschnitte sehen ausgesetzt und schwierig aus, stellen aber kein Problem dar. Wir treffen zunächst zwei tschechische Männer und später zwei junge Mädchen, die ebenfalls aus Tschechien stammen. Offenbar ist der Kaukasus in dem Land ziemlich beliebt…
Der nicht zu steile Pfad führt bei ständigen, herrlichen Aussichten durch eine tolle Landschaft voller grüner Berge. Oberhalb des Borbaloskari Sees können wir unsere Wasservorräte an einer Quelle auffüllen, dann steigen wir nicht zu steil aufwärts zum Borbalo Pass auf 3000 Meter Höhe. Den Pass krönt ein steinernes Kreuz und ein Stück weiter treffen wir sogar auf ein Wanderwegeschild! Zunächst folgen wir einem Kamm abwärts, bis wir schließlich in langen Serpentinen in das Tal des Tusheti Alazani absteigen. Etwas oberhalb schlagen wir schließlich auf lediglich 2230 Meter unser Lager auf.
Am nächsten Morgen durchwaten wir den in mehreren Armen verästelten Alazani einige Male problemlos und folgen dann zunächst dem flachen Talboden. An den Hängen grasen Schafe, dagegen weiden am Bach überwiegend Rinder. Einige mit Plastikplanen überzogene, grob gezimmerte Unterstände stellen die Stützpunkte der Hirten dar.
An einer Stelle gelangen wir sogar an ein Holzhaus, dass als Unterkunft für Wanderer dient, über einige Stockbetten verfügt, aber ansonsten eher runtergekommen wirkt. Hinter einer Brücke tieft sich das Tal schließlich ein, und wir wandern weiter durch die grasigen Hänge. An vielen Stellen sehen wir Eidechsen, es wimmelt von Grashüpfern und eine Wechselkröte versteckt sich in einem Erdloch. Da wir gut im Zeitplan liegen, beziehen wir schon früh am Nachmittag unser Lager auf einem kleinen Plateau, mit einem Bach in der Nähe.
Am nächsten Morgen verläuft der Pfad weiter durch den Hang im Birkenwald, in dem sich jetzt, Ende August die ersten gelben Blätter zeigen. Schließlich gelangen wir abwärts auf ein grasiges Plateau und passieren die acht Häuser von Koklata. Ein Fahrweg führt uns dann abwärts durch trockenen Kiefernwald zum Alazani, den wir barfuß problemlos durchwaten, bevor wir steil aufwärts im Hang zu dem auf der anderen Talseite verlaufenden Weg aufsteigen, der bald in dem 10 Häuser Weiler Verkhovani endet, wo es sogar ein Guesthouse in dem alten Wehrturm gibt, obwohl die meisten Häuser verfallen wirken.
Von hier führt ein deutlicher, rot markierter Pfad durch Gras und Kiefernwald weiter aufwärts. Zweimal überqueren wir einen Bach über Steine und steigen dann steil hoch zum verlassenen Weiler Dadikurta. Allerdings wird eines der Häuser zur Zeit offenbar restauriert und verfügt schon über Fenster. Wir sehen ein angebundenes Pferd und einen Mann. Als wir uns den Häusern nähern, schießen drei große Hunde auf uns zu, die uns offenbar nicht weiter lassen wollen. Immerhin reagieren sie auf die Andeutung eines Steinwurfs, sobald wir aber weitergehen wollen, erscheinen sie allerdings wieder ziemlich aggressiv, bis sie nach einer Ewigkeit schließlich von dem Mann zurückgepfiffen werden.
Der Typ bietet uns dann sogar Tee oder Kaffee an, wir sind allerdings ziemlich sauer, dass er uns so lange mit seinen aggressiven Hunden alleine gelassen hat, und lehnen sein Angebot dankend ab.
Wir steigen weiter auf, und gelangen schließlich auf ein grasiges Plateau auf dem 50 Kühe ohne Aufsicht grasen. Es ist hier ziemlich windig, aber wir entdecken eine halbwegs geschützte Mulde für unser Zelt. Später unternehmen wir noch einen Abendspaziergang zum Nakle kholi Pass auf 2900 Meter, von wo wir einen schönen Blick in das tief unter uns liegende Alazani Tal erhalten, bis hin zum Weiler Girevi. Von dort kommt die Hauptwanderroute von Juta nach Omalo über Shatili.
Am nächsten Morgen folgen wir dem breiten grasigen Kamm weiter am Makratela Berg vorbei. Später kommen uns zwei Israelis entgegen, Vater und Sohn, die heute Morgen einen Bären gesehen haben!
Ein Schild weist auf das höchstgelegene Dorf Europas hin, Bochorna, auf 2345 Meter Höhe. Geographisch gehört der Kaukasus sicher zu Asien, aber die Georgier und Armenier fühlen sich klar als Europäer.
Schließlich steigen wir auf Fahrspuren abwärts zu dem auf einem weiten Plateau oberhalb des Alazani liegenden Ort Omalo ab, wo wir schon um 14 Uhr ankommen und in einem Guesthouse einchecken. Dort buchen wir ein Zimmer mit Bad und 3 Mahlzeiten für einen günstigen Preis. Der auf 1900 Meter gelegene Ort ist ziemlich weitläufig und strahlt mit seinen unbefestigten Straßen ein gewisses Wildwestflair aus. Lile, die gut englisch sprechende Tochter des Hauses geleitet uns später zu zwei kleinen Läden, wo wir Proviant für die nächste Etappe kaufen. Anschließend relaxen wir auf dem Balkon und genießen ein tolles Abendessen mit Kinkalis, den typischen, georgischen Teigtaschen, Suppe, Kartoffelpuffern, Brot, Käse, Gurken und Tomaten, sowie Möhrensalat und Eiern. Dazu gibt es Tusheti Tee und Chacha, einen sehr scharfen Traubenschnaps. Später lernen wir einen ursprünglich aus Georgien stammenden Elektromeister aus Mannheim kennen, der mit anderen Familienmitlgliedern, von denen einer in den USA lebt, hier eine Art Familientreffen veranstaltet. Er erzählt, dass Tusheti, dessen Hauptort Omalo ist, im Winter völlig unzugänglich ist. Zu der Zeit leben hier nur noch einige alte Leute, die mit Hubschraubern versorgt werden. Im Sommer kommen etliche Leute wegen den Verdienstmöglichkeiten im Tourismus hierher, aber auch um das Vieh auf den Weiden grasen zu lassen.
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