Translate

03.02.2023

Durch den Kaukasus - 1. Koko - Kvemo Marghi


 1. Koko - Kvemo Marghi


4 Tage, 72 km, 4399 hm Aufstieg


Am nächsten Tag folgen wir zunächst auf einem Fahrweg dem Khobi Tal aufwärts. Leider werden gerade in diesem tollen Urwaldtal neue Staudämme gebaut, daher begegnen uns etliche Lkws. Der Wald an den steilen Hängen ist subtropisch dicht und besteht aus vielen Laubbaumarten, darunter Orientbuchen und Esskastanien. Im Kaukasus gibt es noch großflächig intakte Waldlandschaften, die mindestens 50.000 Hektar groß sein müssen, ohne Siedlungen, Infrastruktur, Industrie und Holzeinschlag. Bis 2015 gab es die letzte dieser IFL- genannten Gebiete in Südrumänien. Leider nahm danach der Holzeinschlag so stark zu, dass dieser Status dann aberkannt wurde. Dagegen ist in Georgien die Karte dieser Intakten Waldlandschaften (IFL) noch immer großflächig eingefärbt. Es bleibt zu hoffen, dass es hier auch in Zukunft noch unverbaute Täler geben wird. 

Wir passieren viele Bienenstöcke und erhalten immer wieder Ausblicke in die wilde Waldschlucht. Schließlich schlagen wir einen Seitenweg ein, der ab 700 Meter Höhe steil aufwärts führt. Einige Erdrutsche haben den Weg für Fahrzeuge unpassierbar gemacht, daher haben wir jetzt unsere Ruhe. Ab 1900 Meter erscheinen die ersten Nadelbäume, Orientfichten, die unseren Rotfichten ähneln, und rot blühender Rhododendron. Schließlich schlagen wir nach 21 Kilometern und 1760 Höhenmetern auf 2060 Meter Höhe unser Lager auf. Die Aussicht über farbige Blumenwiesen zu zackigen Bergen und auf das bauschige Nebelmeer in den Tälern ist fantastisch. Nicht allzu weit entfernt entdecke ich ein Bächlein woraus wir unsere Wasservorräte auffüllen. Später kochen wir dann Nudeln auf unserem Hobo-Kocher, der kleinste Zweige effizient verbrennt. 

Am nächsten Morgen folgen wir einem schmalen Pfad der in den Hängen verläuft. Zwar ist jetzt, Mitte Juli die Hauptblütezeit der Rhododendren längst vorbei, dennoch gibt es noch einige weiße und gelbe Farbtupfer. Hinter einer Hütte an der zwei Männer bauen, die hier Kühe und Pferde hüten, beginnt der Aufstieg zu einem Pass. Zu unserem Erstaunen treffen wir bald ein junges, deutsches Paar, dass uns entgegen kommt. Die Beiden waren in unserer Richtung unterwegs gewesen, hatten aber irgendwann den Rückzug angetreten, da noch zu viel Schnee auf den steilen Pässen liegt. Wir werden sehen…

Als wir unsere Mittagspause auf einem sonnigen Absatz einlegen, überholt uns ein Jäger mit bloßem Oberkörper und umgeschnalltem Gewehr. Was der wohl jagt?

Bald gelangen wir auf eine geschlossene Schneedecke. Obwohl der Anstieg zu dem 2770 Meter hohen Pass steil ist, haben wir in dem jetzt ziemlich weichen Schnee keine Probleme. Auch der Abstieg zum Okhoje See auf 2580 Meter ist steil, aber gut bewältigbar. Der See liegt herrlich einsam und lädt zum Lagern ein, wir wollen aber noch ein Stück weiter. Zweimal sehen wir ein großes Königshuhn mit zwei Küken auf Schneefeldern unmittelbar vor uns. Einer der besonderen Vögel des Kaukasus! Der nächste Pass ist mit 2900 Metern sogar noch ein Stück höher, aber weniger steil. Unter uns sehen wir bereits den großen, grün eingefassten Toba-Varchkhili See, in dessen Nähe wir dann absteigen, bevor es hoch zum nächsten Pass geht, dessen Aufstieg bereits schneefrei ist. Danach geht es lange Zeit abwärts zum kleinen Kalalish Toba. Das letzte Stück entpuppt sich dann als ziemlich knifflig. Der Rücken dem wir gefolgt waren, fällt schließlich zu steil und felsig ab. Um zu einer weniger schwierigen Abstiegsroute zu gelangen, müssen wir zwei Bäche überqueren, die zwar größtenteils noch unter Schnee liegen. Einige offene Stellen verraten allerdings, dass die weiße Decke nicht mehr sehr dick ist, und ziemlich fragil wirkt. Sollten wir hier wirklich nicht mehr weiter kommen? Ich schaue mir das Terrain genau an, und komme schließlich zu der Erkenntnis, dass es eine Route gibt, die mir halbwegs sicher erscheint. Die kritischen Passagen überwinden wir nacheinander mit einigen schnellen, entschlossenen Schritten. Schließlich haben wir es beide geschafft und sind total erleichtert. Am Ende eines anstrengenden Wandertags noch mit schwierigen, potenziell gefährlichen Hindernissen konfrontiert zu werden, ist eine spezielle Herausforderung…

Auf dem See schwimmen noch Eisschollen, aber wir finden einen guten Lagerplatz knapp oberhalb auf 2550 Meter Höhe. Ein toller Wandertag in grandioser, einsamer Berglandschaft mit einigen Herausforderungen geht zu Ende.

Von hier folgen wir am nächsten Tag einem markierten, guten Pfad an Felsklippen vorbei steil abwärts ins Khobi Tal, dem wir ja schon am ersten Tag gefolgt waren. Hier haben wir die Wahl zwischen zwei Alternativen und entscheiden uns für eine unmarkierte Route auf unserer Mapout Handykarte. Wir müssen etwas suchen, bis wir Furten zur Überquerung des Khobi und eines Nebenbachs entdecken, und durchwaten die Gewässer schließlich problemlos in unseren Stiefeln. Am anderen Ufer ist nichts mehr von einem Weg zu erkennen, und wir bahnen uns unseren Weg durch die extrem hohe Krautvegetation. Typische Verhältnisse für den Westkaukasus, wie wir noch feststellen sollten. Dafür entschädigt uns die Blumenpracht und wir sehen Königshühner und Kaukasus-Birkhühner. Schließlich gelangen wir auf einen Pass und wollen einem schmalen Grat weiter folgen. Zunächst funktioniert das auch ganz gut, aber bald wird der Kamm zu felsig für unseren Geschmack. Das Weiterkommen würde einige Kletterei erfordern und das Terrain voraus sieht ziemlich schwierig aus, daher kehren wir zurück zum Pass. Dieser fällt in Geröll und Schnee sehr steil ab, offenbar war der letzte Winter sehr schneereich, so dass sich die weiße Pracht auch Mitte Juli an vielen Stellen noch bis in tiefere Lagen erhalten hat. Nichts desto Trotz meistern wir den Abstieg und folgen schließlich dem Tal des Khaishi Toba weiter abwärts. Zwar stoßen wir sporadisch auf eine alte blau-weiße Markierung, aber von einem Pfad ist schon lange nichts mehr zu erkennen. Oft ist die Vegetation über kopfhoch. Stellenweise wächst Riesenbärenklau, dessen Berührung allergische Reaktionen auslösen kann, weshalb wir versuchen, diesen gigantischen Pflanzen auszuweichen. Wir sehen nie, wohin wir unsere Schritte setzen, daher tappen wir oft in Löcher und fallen immer wieder hin. Besonders unangenehm sind Abschnitte aus dichten, miteinander verknäuelten Sträuchern, gegen die wir regelrecht ankämpfen müssen. Zweimal blockieren schmale, aber wilde Seitenbäche unseren Weg. Bei höherem Wasserstand sind diese wahrscheinlich unpassierbar. Wir sind längst müde und erschöpft und würden gerne lagern, aber die Vegetation ist überall viel zu dicht. Schließlich finden wir dann aber doch noch einen weniger dicht bewachsenen Lagerplatz auf 1680 Meter Höhe. Das Vorankommen in diesem Tal ist extrem langsam und anstrengend. Wenn das so weiter geht, werden wir wohl noch lange Zeit hier verbringen…

Leider wimmelt es hier von kleinen, stechenden Gnitzen, daher verschwinden wir schon ziemlich früh im Zelt. Wir haben heute keinen anderen Menschen gesehen, und obwohl unsere Beine von der Berührung mit Nesseln brennen, sind wir erfüllt von diesem abenteuerlichen Wandertag mit all seinen Herausforderungen. 

Auch am nächsten Tag bleibt das Tal schwierig, besonders unangenehm ist, dass die Vegetation vom Tau klatschnass ist. Immerhin gelangen wir jetzt öfter in Erlenwaldbereiche, wo die Krautvegetation weniger hoch ist. Wir durchwaten einige Seitenbäche und gelangen schließlich in einen eindrucksvollen Urwald mit Nordmanntannen und Orientbuchen, die um die zwei Meter Durchmesser erreichen. Das Tal ist hier deutlich schmaler und fällt schluchtartig ab, daher laufen wir jetzt in den steilen Hängen. Ob es uns wohl gelingen wird, in diesem wilden Tal abzusteigen?

Zu unserer Überraschung gelangen wir dann aber schon nach drei Stunden auf einen Weg, über den einzelne Baumstämme aus den Hängen geschleift wurden. Glücklicherweise sehen wir hier keine Kahlschläge, so dass der Wald noch in seiner Geschlossenheit erhalten geblieben ist, dennoch tut es uns weh, dass man dieses Tal vor kurzem mit Wegen für die forstwirtschaftliche Nutzung erschlossen hat. Wir fürchten, dass auch hier in Georgien der ursprüngliche Urwald Stück für Stück verschwindet. Andererseits sind wir aber auch ganz froh, dass wir jetzt den Wegen folgen können. Ansonsten wäre das Vorankommen hier noch sehr schwer geworden….

Im Tal der Khaishura gelangen wir schließlich auf einen befestigten Weg, auf dem uns einige mit mächtigen Tannenstämmen beladene, umgebaute Militärlaster entgegen kommen. Nichts desto Trotz gibt es neben Brücken auch hier noch Furten. Zwar ist das Wasser zur Zeit nicht zu reißend, reicht Anke aber an einer Stelle bis zum Po…

Kheda Vedi ist ein winziges Nest mit wenigen Häusern, aber auch einem einfachen Sägewerk, wo das Holz aus dem Urwald verarbeitet wird. Hinter dem Ort fließt die Khaishura durch einen eindrucksvollen Canyon. 

Schließlich erreichen wir Khaishi einen Ort an einer Asphaltstraße, wo es ein Hotel und Einkaufsmöglichkeiten gibt, ebenso wie einen Funkmast. In den Bergen hatten wir keinen Handyempfang. Wir folgen der Straße ein Stück und biegen dann in das Nenskra Tal ab. Die Nenskra ist ein wilder Gletscherfluss, der in der Nähe des Elbrus an der russischen Grenze entspringt. Auch hier soll ein Staudamm gebaut werden, wie eine Tafel verrät. Hinter dem Ort Lakhi suchen wir uns dann einen Zeltplatz. Wir wollen versteckt lagern, was sich als gar nicht so einfach entpuppt, da das Gelände entweder zu steil oder in der Nähe von Wegen ist, aber schließlich werden wir fündig. Hier auf lediglich 700 Metern ist der Abend erstaunlich mild. 

Am nächsten Morgen erreichen wir bald Kvemo Marghi (Chuberi), ein Nest mit verstreuten Häusern. In dem Laden, der in Mapout eingezeichnet ist, gibt es fast nichts ausser Alkohol und einige ältere Männer sind schon am frühen Morgen am Trinken. Leider sind die georgischen Schriftzeichen für uns völlig unverständlich und niemand versteht hier englisch. Russischkenntnisse wären nützlich, aber leider verfügen wir nicht darüber. Dennoch können wir uns irgendwie verständigen und jemand zeigt uns einen weiteren Laden, wo eine Frau erscheint, nachdem wir eine Klingel betätigt haben. So können wir uns für die nächsten vier Tage mit Haferflocken, Nudeln, Schokocreme und russischer Schokolade versorgen.



Khobi


Leider wird das Khobi-Tal stark durch Staudammbau beeinträchtigt


Esskastanien

Ein wildes Urwaldtal


Erdrutsch













Hirtenhütte









Okhon See



Königshuhn mit Küken





Toba Varchkhili See



Halten die Schneebrücken?

Kalalish Toba See






Schneehuhn


Wir folgen dem Grat



Sporadische Markierungen aber kein Pfad










Kopfhohe Vegetation



Ein neuer Weg durchschneidet den Urwald


Holzeinschlag im Urwald


Umgebaute Militärlaster zum Holztransport




Minisägewerke

Khaishura Schlucht


Nenskra

Einkauf in Kvemo Marghi


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen