7 Tage, 109 Kilometer, 6232 Höhenmeter Aufstieg
Der nächste Abschnitt führt uns durch Hügelland in die Berge des Kleinen Kaukasus, wo wir im Borjomi Nationalpark tolle Wälder und eher sanfte, grüne Bergkämme vorfinden.
Nach einem tollen Frühstück draußen vor dem Guesthouse mit Spiegelei, Pfannkuchen, Käse und Blaubeermarmelade sind wir bald wieder unterwegs. In Ambrolauri, wie auch in anderen georgischen Städten wimmelt es von Straßenhunden, die darauf hoffen von den Passanten etwas abstauben zu können. Einige Kilometer folgen wir der Straße hinter dem Ort und biegen dann auf einen alten Waldweg ab, der aber wohl schon seit langer Zeit unbefahrbar für Autos ist. Es ist hier deutlich trockener als im Hohen Kaukasus, den wir jetzt verlassen haben, um Südossetien auszuweichen, einer seit 2008 von Russland kontrollierten georgischen Provinz, in die man nicht einreisen kann.
Durch niedrigen Laubwald aus Eichen, Linden, Ulmen und sogar einigen Eiben wandern wir durch die Hitze. Leider scheint Anke sich etwas eingefangen zu haben, und hat Magenprobleme.
Schließlich gelangen wir aus dem Wald zu einem Dorf mit gefassten Quellen, wo sich frei herum laufende Schweine an Autos schubbern.
Die Straße, der wir jetzt weiter folgen, ist lediglich ein wenig befahrener Waldweg. Schließlich gelangen wir in dichter besiedeltes Gebiet und laufen auf engen Wegen zwischen den Mauern der Häuser und teilweise auch über Asphalt. Durchaus Idyllisch, aber für unseren Geschmack viel zu dicht besiedelt. Schließlich folgen wir einem Waldrand durch eine offene, heideähnliche Landschaft wo Schilder auf Höhlen hinweisen und einige Ausflügler unterwegs sind. Schließlich steigen wir ein Stück aufwärts und schlagen unser Lager in einem moosigen Tannenwald mit wenig Unterwuchs auf. Ein recht schöner Zeltplatz! Es war heute viel heißer als zuvor und wir haben viel getrunken.
Am nächsten Morgen steigen wir zum Plateau des knapp 2000 Meter hohen Satsalike auf, vorbei an Tannen und Aspen. Schließlich gelangen wir in weites, offenes Grasland. In manchen Mulden werden kleinflächig Kartoffeln angebaut und wir begegnen Männern, die Heu auf einen Militär- LKW laden. Schließlich beginnt der lange Abstieg, der uns Blicke zurück auf die schroffen Kalksteinklippen gewährt, die das Plateau begrenzen. Ein kurzes Stück laufen wir weglos, wobei uns Kuhpfade helfen voran zu kommen. Wir folgen hier der Route von Caminaire, einem Franzosen, der bereits ganz Europa zu Fuß durchquert hat, und kurze Zeit vor uns hier unterwegs war.
Schließlich gelangen wir wieder in dicht besiedeltes Gebiet, wo kleine Läden Einkaufsmöglichkeiten bieten. Hinter dem Kloster Katskhi erhalten wir einen Blick auf eine Kapelle, die sich auf einem 40 Meter hohem Kalksteinfelsen erhebt. Dann steigen wir lange bergab zu einer Bahnlinie. Es ist schon spät, aber wir entdecken nirgendwo einen geeigneten Lagerplatz, abseits von Häusern. Schließlich werden wir nach etwa 32 Kilometern Wanderung oberhalb von einem trockenen Seitenweg doch noch fündig. Hier auf lediglich 350 Meter Höhe ist es sehr warm, daher lassen wir unsere Zelthaube weg und haben so einen ungehinderten Blick in den Sternenhimmel.
Der Kuhpfad den wir am nächsten Morgen im Tal weiter folgen, endet bald in undurchdringlichem Brombeer- und Dornensträucherdickicht. Nach einigen Versuchen, doch irgendwie weiterzukommen, ziehen wir uns schließlich zurück zu unserem Lagerplatz und schlagen dann eine höher gelegene Route über dem Tal ein, die sich schließlich als gangbar entpuppt. Wir passieren einige Orte und laufen durch weites Weideland. Mittags gewährt uns ein Baum etwas Schutz vor dem heftigen Wind. In Tkemlovana stehen viele große Tonkrüge vor den Häusern, die offenbar zur Weinherstellung genutzt werden, die in Georgien eine sehr alte Tradition hat. Hinter dem Ort können wir noch einmal unser Wasser auffüllen, allerdings hat der Bach gerade zuvor einen Fischteich durchflossen und kleine Fische sowie Krebse bevölkern das Wasser. Durch trockenen Laubwald mit vielen Esskastanien folgen wir alten Fahrspuren auf einen Kamm, dem wir dann lange folgen. Allerdings biegen wir einmal falsch ab, und merken das erst, als wir schon ein ganzes Stück abgestiegen sind. Uns bleibt nichts anderes als umzudrehen und einen Kilometer zurückzulaufen, bis wir wieder auf unsere Originalroute gelangen. Anke und ich sind eigentlich beide eingefleischte Solowanderer. Umso mehr überrascht es uns, dass wir hier in Georgien meist ziemlich harmonisch zusammen laufen. Heute gehen wir uns allerdings ziemlich auf die Nerven. Daher schlagen wir abends unsere Zelte getrennt voneinander auf, und beschließen, die nächsten Tage bis Borjomi getrennt zu laufen. Gut, dass wir für so einen Fall zwei Zelte dabei haben!
Bereits kurz nach sechs Uhr ist es am nächsten Morgen ziemlich warm, als ich dem Kamm weiter abwärts folge. Zikaden rufen und bald erreiche ich die große Straße im Dzirula Tal, auf lediglich 300 Metern gelegen. Hier muss ich eine Baustelle vor einem Tunnel überqueren und die Bauarbeiter rufen mich zu sich. Der bisherige Wegeverlauf ist durch die Baustelle verschwunden und die Männer können mir auch nicht sagen, wie ich weiterkomme. Auf Kuhpfaden steige ich einen Hang steil bergauf und gelange dann in ein Bachtal, wo ich Wasser auffüllen kann, was mir sehr willkommen ist. Anschließend steige ich am Hang weglos steil weiter bergauf. Stellenweise ist die Mischung aus Brombeeren und Rhododendron hier fast undurchdringlich. Schließlich gelange ich aber zurück auf meine Route, die sich als teilweise zugewachsener Kuhpfad entpuppt. Ich bin mir nicht sicher, ob ich hier nicht in einer Sackgasse landen werde, gelange aber schließlich wieder auf einen Fahrweg der an einigen Häusern und einem Brunnen vorbeiführt. Weiter geht es durch eine offene Weidelandschaft, bis eine Fahrspur in den Wald führt. Zunächst gibt es hier auch noch Esskastanien und andere Bäume, aber bald dominieren Orientbuchen, enge Verwandte unserer Rotbuchen. Stellenweise ist die Wald ziemlich aufgelichtet, es gibt aber auch noch ziemlich stattliche Bäume. Irgendwann hört die deutliche Fahrspur auf, und es gibt immer wieder eine Abzweigung. Auf gut Glück versuche ich die Richtung zu halten. Einmal fliegt eine große Eule vor mir auf, und lässt sich ein Stück weiter wieder nieder, wahrscheinlich ein Habichtskauz. Zu meiner Überraschung stoße ich auf einen angebundenen Schimmel im Wald. Dann tauchen zwei kläffende Hunde auf, denen ein freundlicher junger Mann folgt. Ich bin überrascht, in diesem einsamen Waldgebiet jemand zu treffen, und weiß auch nicht was er hier macht, aber offensichtlich bin ich noch auf dem richtig. Dann mache ich einen Fehler: Der Weg der in die richtige Richtung führt, erscheint mir zu zugewachsen, daher gehe ich zurück und folge dem Höhenrücken weiter, obwohl mir klar ist, dass ich mich damit von meiner eigentlichen Route zunehmend entferne. Ich hoffe, dass ich irgendwann noch einmal auf eine Abzweigung stoße, die in die richtige Richtung zurück führt. Es gibt hier auf dem Bergrücken kein Wasser, aber etliche Pfützen in den Fahrspuren. In einer Pfütze schwimmt eine kleine Ringelnatter. Eine andere verfügt über klares Wasser, daher scheue ich mich nicht, Wasser daraus zu entnehmen. Schließlich schlage ich unmittelbar neben dem Weg mein Lager auf, wo abends die Bilche in den Kronen der Orientbuchen herumtollen.
Bei starkem Wind folge ich am nächstem Morgen dem Kamm weiter, der mich allerdings viel zu weit nach Norden führt. Leider gibt es nirgendwo einen Weg der zurück in die richtige Richtung führt und nicht komplett zugewachsen ist. Zurück laufen möchte ich aber auch nicht…
Immerhin wandere ich durch einen sehr eindrucksvollen, riesigen Wald aus Orientbuchen. Schließlich gelange ich an offene Wiesen und folge Kuhpfaden in ein Tal hinein. Dort soll es laut meiner Kartenapp einen Weg geben, der zurück in meine Ursprungsrichtung führt. Leider hört dieser aber schon bald wieder auf, und ich laufe schweren Herzens durch den Erlenwald zurück. Zum weglos laufen, ist der Wald viel zu dicht bewachsen und das Terrain zu schwierig. Talabwärts folge ich dann einem Betonweg an einigen Häusern vorbei vier Kilometer weit bis zur Straße nach Kharagauli. An einem Bushäuschen stehen ein älterer Mann und zwei Frauen, die Selfies mit mir machen und besorgt sind, wie ich von hier weiterkomme. Schließlich rufen sie über ihr Handy ein Taxi, das mich für umgerechnet 16,50 Euro, 30 Kilometer bis nach Marelisi bringt, wo ich meine Wanderung auf 450 Meter Höhe fortsetzen will.
Schon um 11:30 Uhr wandere ich am Bach Staviskala aufwärts. Bald überholt mich ein Geländewagen und ein Ranger gibt mir zu verstehen, dass ich ein Ticket für den Borjomi Nationalpark brauche, in den ich bald gelange. An einer Wiese gibt es einen Zeltplatz mit einem Gebäude, in das mich ein freundlicher junger Ranger führt. Die nachfolgende Prozedur mit einem ziemlich barschen älteren Parkangestellten ist allerdings ziemlich umständlich und bürokratisch, auch wenn der Eintritt in den Park kaum etwas kostet. Ich muss meinen Pass vorzeigen und angeben, welche Route ich nehmen will. Das niemand englisch spricht, hilft natürlich auch nicht gerade. Aber schließlich darf ich doch weiter und wandere am Bach zwischen knorrigen Erlen im dichten Bewuchs weiter.
Nach einiger Zeit verlasse ich den Bach und es geht durch Wald aus Esskastanien, Linden, Orientbuchen sowie einigen Orientfichten weiter aufwärts, bis ich an die Sakhlari Hütte gelange. Diese ist ziemlich groß und bietet etwa 20 Schlafplätze, wirkt allerdings nicht besonders einladend. Es ist niemand hier, daher habe ich die Wiese davor für mich alleine, wo ich mein Zelt aufschlage.
Am nächsten Morgen folge ich zunächst einem Fahrweg weiter aufwärts durch Laubwald und über Wiesen voller Schmetterlinge, die sich im Morgenlicht an den Blüten laben. Ich sehe Bärenkot und höre einmal ein Schnauben. Ein Wildschwein auf dem Weg vor mir schaut mich eine Zeit lang an und nimmt schließlich reißaus ins Unterholz. Ab etwa 1800 Meter Höhe gelange ich auf weite Weideflächen. Zweimal passiere ich eine Kuhherde, die von nicht aggressiven Hunden bewacht wird. Einmal begegnet mir ein älterer Mann mit einem Packpferd und ein Stück weiter treffe ich vier jüngere Männer, ebenfalls mit Pferden unterwegs. Sie scheinen im Auftrag des Nationalparks etwas zu transportieren und einer der Männer ist bereits am frühen Morgen betrunken. Den Wodka den er mir anbietet, lehne ich dankend ab…
Ich folge jetzt einem relativ sanften Kamm aus grünen Hügeln, bis ich schließlich den Fahrweg verlasse und weglos auf den 2642 Meter hohen Sametskhvario steige, von dem aus mein Weg weit über die relativ sanfte Berglandschaft schweift. Einige Zeit wandere ich noch weglos weiter, bis ich wieder auf einen Pfad gelange. Seit heute Morgen habe ich noch kein Wasser gefunden, daher muss ich noch so lange weiterlaufen, bis ich an einen Bach gelange. Hinter einem Pass auf 2200 Meter Höhe wirkt die Gegend deutlich trockener und Nadelwald mit Kiefern schmiegt sich an die Hänge. Der Pfad ist kaum noch zu erkennen und schlängelt sich durch sich langsam gelb verfärbendes Gras und Rhododendron weiter nach oben, während aus dem Tal Nebel empor brandet. Hinter dem Mgraki auf 2475 Meter stoße ich auf einen frisch angelegten Weg. Waren die TCT-Leute hier aktiv?
Bald verlasse ich den Weg wieder und versuche weglos von einem steilen Felsmassiv abzusteigen, was mir schließlich gelingt. Hier stoße ich auch wieder auf den frisch angelegten Weg, der mich endlich zu einer Quelle führt. Bald hört der Pfad wieder auf, und liegengelassene Werkzeuge zeigen, dass hier noch gebaut wird. Glücklicherweise ist aber auch der alte Weg im Hang ganz o.k, so dass ich problemlos weiter komme. Leider ist es überall entweder zu steil zum Lagern oder zu windausgesetzt, so dass ich erst um halb acht, nach 30 Kilometern und 2100 Höhenmetern Aufstieg mein Lager an einer halbwegs geschützten Stelle auf einem Kamm aufschlage. Während der Morgen auf dem Fahrweg relativ langweilig war, fand ich den Nachmittag mit den kleinen Herausforderungen abwechslungsreich und interessant.
Bevor ich am nächsten Morgen aufbreche, erlebe ich einen traumhaften Sonnenaufgang. Anschließend wandere ich durch hohes Gras und Nadelwald zum Felsplateau des 2236 Meter hohen Berges Sakekala. Die Aussichten von hier über Felsen, Nadelwälder und trockene Grashänge voller gelber Blumen sind fantastisch und erinnern mich ein wenig an Landschaften in den USA. Turmfalken stehen in der Luft und zweimal beobachte ich Buntspechte. Ich folge trockenen, grasigen Graten und steige dann durch schönen, gemischten Wald aus Fichten, Aspen und Linden ab. Schließlich gelange ich in ein Bachtal, was mich zur Straße bei Atskuri führt. Schon bald hält ein Transporter, mit dem ich entlang des Flusses Kura, auf dem Raftingboote schwimmen, etwa 25 Kilometer bis Borjomi fahre. In dem Kurort treffe ich Anke in einem Guesthouse wieder, wo sie bereits einige Zeit vor mir angekommen war. Unsere Stimmung ist wieder ausgezeichnet, offenbar hat uns die kleine Pause voneinander gut getan!
Zur Feier des Tages genießen wir eine große Schale Schokoeis und später bekommen wir von unserem Gastgeber ein Gläschen von seinem eigenen Wein kredenzt.
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