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22.02.2023

Durch den Kaukasus 4 Lalkhori- Ambrolauri

 


4. Lalkhori - Ambrolauri


8 Tage, 132 Kilometer, 6221 Höhenmeter Aufstieg

Nach einem leckeren Frühstück mit warmem Buchweizen, Kartoffeln und Salat sind wir um 8 Uhr wieder unterwegs. Bald nehmen uns ein englischer Pakistani und seine Frau, die in Dubai arbeiten ein Stück mit. Kurz danach hält ein Wagen mit 4 Russen. Wir beteiligen uns an ihren Fahrtkosten, können leider aber mit den Erklärungen ihres russischsprachigen Guides nichts anfangen. Am sogenannten „Tower of Love“, einem Wehrturm der über einem Fluss aufragt, stehen um die fünfzig Autos, deren Insassen für den Zugang zum Turm bezahlen und reichlich Fotos machen. Tourismus konzentriert sich eben immer auf einige Sehenswürdigkeiten…

Gegen 10.30 sind wir wieder in Lalkhori und wandern zurück nach Iprari, ab wo wir dann der Hauptroute von Ushguli nach Mestia ein Stück folgen. In Khalde gönnen wir uns Bier und Cola auf der Terrasse eines Guesthouses und folgen dann einem Fahrweg weiter im Tal der Khaldechala. Hier wimmelt es von Touristen und wir wissen ziemlich genau, warum wir diesen wohl beliebtesten Wanderweg Georgiens gerne bald wieder verlassen…

Wir überqueren den reißenden Gletscherfluss über eine Brücke und steigen dann auf einem Pfad durch ziemlich hohe Vegetation aufwärts. Unser Lagerplatz auf einem grasigen Hügel gewährt uns später tolle Ausblicke über Gletscher und Schneeberge. 

Am nächsten Morgen steigen wir weiter hoch zum 3000 Meter hohem Lagem Pass. Von Ferne dringt Donnergrollen herüber, aber das Wetter bleibt stabil, als wir absteigen. Nur Streckenweise ist ein Pfad zu erkennen. Am Enghuri Fluss stoßen wir dann auf einen Fahrweg, der auch von einigen Autos und Wanderern frequentiert wird, die von Ushguli aus in  die Nähe des Shkara Gletschers laufen. Es gibt hier sogar ein Café an dem wir uns kurz unterstellen, als ein Schauer nieder geht. Hier verlassen wir den Hauptpfad und das Tal wieder und steigen entlang einer undeutlichen Pferdespur hoch zum kleinen Romisghelis See. Zu unserer Überraschung treffen wir hier ein israelisches Paar, das in Georgien lebt und morgen einen nahegelegenen Berg über einen Gletscher besteigen will. Am Morgen steigen wir durch hohe Vegetation weiter auf. Erst als wir fast den Pass auf 3000 Meter Höhe erreicht haben, wird der Pflanzenbewuchs etwas niedriger. Oben angekommen folgen wir dem grünen Grat weiter bis zum Vahusti (3107m).

Da das erste Stück des Abstiegs ziemlich steil ist, traversieren wir zunächst ein Stück im Hang, bevor wir in etwa weniger steiles Gelände gelangen. 

Als wir schließlich an die von Ushguli kommende Schotterstraße gelangen, steht dort zu unserer Überraschung ein ausgebauter Van mit deutschem Kennzeichen. Birgit und Rainer aus Velbert sind seit drei Monaten unterwegs und laden uns gleich zu Cappucino und Schokolade ein. Dazu können wir natürlich nicht Nein sagen und unterhalten uns dann stundenlang angeregt. Zwar verfolgen wir einen anderen Reisestil, können aber die Faszination nachvollziehen, im eigenen Fahrzeug unterwegs zu sein. 

Schließlich reissen wir uns los und laufen auf dem Schotter weiter talabwärts. Die Gegend ist unbesiedelt, lediglich einige Ruinen zeugen davon, dass hier mal Menschen gelebt haben. Auf der Straße gibt es sehr wenig Verkehr, allerdings rollen zweimal Gruppen von Mountainbikern an uns vorbei. Später treffen wir Rainer und Birgit noch einmal, die sich bereits einen Übernachtungsplatz gesucht haben. Noch einmal genießen wir es miteinander zu plaudern, bis es schließlich auch für uns Zeit wird, so langsam einen Lagerplatz zu finden. Auf einer Wiese an der Abzweigung nach Zhesko werden wir schließlich fündig. 

Am nächsten Morgen wandern wir an Schieferklippen vorbei durch Wald und Blumenwiesen nach Zhesko. Die wenigen Häuser wirken allerdings verlassen. Ein Schild verkündet, dass es hier durch die EU geförderten Kartoffelanbau gegeben hat, tatsächlich wachsen auch noch Erdäpfel hier, allerdings auf sehr kleiner Flamme. Wir wandern durch Erlenwald weiter auf einem Fahrweg, bis wir eine Pause in der Nähe einer großen Wiese machen. Wir hören Pfiffe und bald erscheint ein Geländewagen der Polizei. Wir müssen einsteigen und fahren einige Meter bis zu einem hellen Zelt mit Ofen, wo sich noch drei andere Grenzschützer aufhalten. Zwar spricht niemand englisch, wir verstehen aber, dass wir ein Permit für die Grenzzone brauchen, die hier offensichtlich beginnt. Wir müssen unsere Pässe vorzeigen und einiges Papier ausfüllen, aber schon nach einer Viertelstunde dürfen wir weiterlaufen und müssen nicht einmal etwas bezahlen. Schließlich endet der Fahrweg und wir entdecken auf einer großen Wiese zahlreiche orange Zelte. Die junge Georgierin Nini kommt zu uns, und erklärt, dass dies das Lager einer Freiwilligengruppe von 14 Leuten ist, die hier am Transcaucasian Trail bauen, einer Weitwanderroute, die irgendwann durch den ganzen Kaukasus führen soll, aber erst abschnittsweise fertig ist. Bald steigen wir auf einem perfekt gebauten neuen Pfad durch schönen Tannenwald mit sehr beeindruckenden, alten Bäumen aufwärts. Stellenweise wurden sogar Stufen angelegt! Wenn der ganze Trail mit so viel Aufwand ausgebaut werden soll, wird es wohl noch sehr lange dauern, bis er fertig ist…

Ziemlich abrupt endet der ausgebaute Pfad, und wir folgen pinken Markierungsbändern weiter nach oben, durch Birkenwald mit sehr dichtem Rhododendron Unterwuchs. Neben der fast undurchdringlichen Vegetation ist es auch noch sehr steil. Ziemlich anstrengend…

Wir denken, dass es besser wäre, anstatt den Pfad weiter unten perfekt auszubauen, die Route insgesamt etwas einfacher zu gestalten…

Wo der dicht bewachsene Rücken auf einen schmalen Grat trifft, begegnen wir der Trailcrew, die heute einen Ausflug unternimmt um die weitere Strecke zu erkunden. Junge Leute aus fünf Nationen arbeiten hier miteinander, es gibt aber auch einen älteren Engländer und zwei Deutsche. Unglaublicherweise wird bereits seit 2018 an diesem Abschnitt gebaut. Der ursprüngliche Weg, der über einen schwierigen, felsigen Pass führt, soll hier über den Grat verlegt werden. 

Schließlich verabschieden wir uns von den freundlichen Leuten und folgen dem Grat weiter. Dieser ist stellenweise sehr steil und ausgesetzt. Wir glauben nicht, dass das für jeden etwas ist, der den Transcaucasian Trail in der Zukunft laufen will…

Schließlich schlagen wir unser Lager in einer weitläufigen Graslandschaft oberhalb von einem kleinen See auf 2660 Meter Höhe auf. Wir sammeln kleine Zweige von den Rhododendron Sträuchern hier um zu kochen und sind gerade rechtzeitig fertig, bevor Gewitter und Regen einsetzen. 

Da das Terrain voraus von sehr hoher Vegetation bedeckt ist, und wir auch nicht wissen, ob die von uns geplante, weglose Kammroute machbar ist, entschließen wir uns, von hier aus morgen die Gegend zu erkunden und dann weglos auf einer anderen Route zurück in Zhesko Tal zu gehen. 

Am nächsten Morgen ist das Wetter wieder schön, wir lassen uns Zeit im Lager und brechen erst um halb neun wieder auf zu einem Spaziergang auf dem Grat. Wir genießen die Ausblicke auf die herrliche Blumenlandschaft, unmittelbar an der russischen Grenze, sind aber etwas enttäuscht, da wir außer einigen auffliegenden Schneehühnern keine Wildtiere sehen. Offenbar wurden sämtliche größere Tiere wie Gämsen, Murmeltiere und Steinböcke hier schon vor langer Zeit durch zu starke Bejagung fast vollständig ausgerottet, denn wir entdecken weder Fährten noch Losung, keine Zeichen, die auf die Anwesenheit von Wild hinweisen. 

Am folgenden Morgen machen wir uns an den weglosen Abstieg ins Tal. Zunächst ist das Terrain nicht zu steil und bewachsen, was sich aber schon bald radikal ändert. Stellenweise halten wir uns sogar an den Rhododendren fest, um Halt zu finden. Bald versuchen wir einem weniger steilen Rücken zu folgen, der aber irgendwann felsig abfällt, so dass wir uns einen anderen Grat suchen müssen. Glücklicherweise ist es nicht allzu nass, da es gestern nicht geregnet hatte. Aber es ist immer wieder erstaunlich, wie hoch und dicht die Vegetation im Westkaukasus ist, wegloses Wandern ist hier sehr schwierig! Obwohl wir uns keineswegs sicher sind, ob das Gelände nicht irgendwann zu steil wird, gelangen wir schließlich doch zurück an den Bach, dem wir noch 800 Meter Luftlinie weglos folgen müssen. Das hört sich zwar nicht nach viel an, aber in hoher Krautvegetation und Gebüsch ist das Vorankommen nur sehr langsam. Einmal gelangen wir ans Ufer und müssen eine hohe Uferböschung empor klettern. Zu allem Überfluss gelangen wir dann noch in einen Bereich mit vielen Brennesseln. Beine und Arme brennen bald wie Feuer. Schließlich kommen wir aber wieder auf den Fahrweg von vorgestern und erreichen dann die Straße wieder, in deren Nähe wir gezeltet hatten. Bald fängt der Asphalt an und die Straße führt durch eine steile Waldschlucht. Es gibt so gut wie keinen Verkehr, bis wir an eine Baustelle gelangen, wo offenbar ein großflächiger Erdrutsch die Straße verschüttet hatte. Irgendwann folgt uns ein magerer, brauner Hund obwohl wir ihn nicht beachten. Rechtzeitig vor einem Gewitter schlagen wir schließlich unser Lager in einem Birkenwald in Straßennähe auf. In der Nacht hören wir eine Zeit lang lautes Bellen und am Morgen stellen wir dann fest, das jetzt zwei Hunde vor unserem Zelt liegen!

Die begleiten uns dann auch beide weiter, bis vor dem Ort Mele der Eine verschwindet. Offenbar sind ihm die anderen Hunde dort unheimlich…

Die Bruchsteinhäuser des Ortes tragen meist Wellblechdächer, es gibt aber auch schöne Holzbalkone. „Unser“ Hund bellt jeden anderen Hund hinter den Zäunen an, auch wenn die deutlich größer sind. Das rächt sich allerdings, als wir die Straße verlassen und den Ort Shkedi auf einem Fahrweg erreichen. Ein riesiger Hund der von „unserem“ herausgefordert wird, schlüpft durch ein winziges Loch im Zaun und stürzt sich auf den kleinen Kläffer, der uns begleitet hat. Ein wüstes Getümmel entsteht, zu dem sich auch noch eine Sau gesellt, die offenbar ihre Ferkel, die frei auf dem Weg herumlaufen, beschützen will. Eine Frau erscheint aus dem Grundstück mit dem riesigen Hund, deren entsetzter Gesichtsausdruck zeigt, dass sie befürchtet, dass ihrer unseren Hund totbeißt. Wir gehen davon aus, dass der kleine Hund verloren ist, und haben keine Lust noch in die Auseinandersetzung verwickelt zu werden, daher setzen wir unseren Weg fort. Aber nur wenige Schritte weiter ist „unser“ Hund wieder da, munter und völlig unverletzt. Offenbar hat ihm der andere nur klar gemacht, wer der Boss ist…

Ein Stück hinter dem Ort kommt uns ein Reiter entgegen, der uns fragt, ob er den Hund haben kann, als er merkt, dass wir nicht die Besitzer sind. Da wir nach dem Vorfall mit dem Riesen nichts dagegen haben, unseren Begleiter loszuwerden, legt der Reiter dem Hund einen Strick um den Hals und zerrt ihn auf dem Pferd vorwärts. Kurze Zeit später ist er wieder bei uns, offenbar hat er es geschafft, sich loszureißen. Allerdings kommt der Reiter bald wieder und bindet den Hund diesmal sicherer fest. Ein bisschen tut uns der freie Streuner ja schon leid. Oft hat er bestimmt hungrige Zeiten durch gemacht, aber offenbar ist ihm seine Freiheit wichtiger, als regelmäßige Nahrung, zumindest interpretieren wir das so. 

Wir folgen einer breiten Viehtrift weiter nach oben und gelangen schließlich in eine Weidelandschaft mit vielen Hütten, wo wir aber kein Vieh sehen, unter dem 3502 Meter hohen Felsberg Mt. Chumkara. 

Weiter geht es aufwärts in einem Tal durch nicht zu hohe Krautvegetation, bis wir rechtzeitig vor einem Gewitter am Nachmittag unser Lager aufschlagen. Allerdings bleiben wir vor Blitz und Donner verschont, es regnet lediglich anhaltend. 

Am nächsten Morgen ist es wieder klar und wolkenlos während wir weiter weglos in dem noch schattigen Tal aufsteigen. Erst an den Khelida Seen legen wir in herrlicher Umgebung, die zu näherer Erkundung einlädt, eine längere Pause ein. Beim Aufstieg zum 3036 Meter hohen Khelida Pass reicht der Blick zurück bis zum mittlerweile schon weit entferntem Ushba. 

Auch der Abstieg über grüne Matten und Blockfelder erfolgt zunächst ohne Weg, allerdings können wir einigen Viehspuren folgen. 

Wir halten eine kleine Hütte für verlassen, aber als wir in einiger Entfernung vorbei laufen, schauen schließlich ein Mann und seine Hunde heraus. 

Als der Wald beginnt, gelangen wir auf einen Weg, der durch aufgelichteten Wald mit mächtigen Ahornen führt bevor er in einen eindrucksvollen Tannenwald mit etlichen riesigen Exemplaren führt. Wir sind jetzt auf einem zerfahrenen Erdweg unterwegs und gelangen schließlich an einen lediglich mit drei dicken Baumstämmen beladenen umgebauten Militärlaster mit einer Reifenpanne, dessen Fahrer schläft. Kaum zu glauben, wie das Fahrzeug auf diesem Weg überhaupt hierher gelangt ist! Schade, dass durch die immerhin lediglich selektive Baumentnahme der Urwald geschädigt wird. Immerhin gibt es keinen Kahlschlag!

Schließlich schlagen wir auf lediglich 1070 Meter unser Nachtlager auf. 

Am nächsten Morgen wird der Weg deutlich besser, nachdem wir ein kleines Wasserkraftwerk passiert haben. Bei Sadmeli erreichen wir dann schließlich die Hauptstraße, der wir noch sechs Kilometer weit bis nach Ambrolauri folgen. Unterwegs kaufen wir uns ein Brot an einem Minimarkt, das wir gleich an Ort und Stelle essen. In dem recht großen Ambrolauri mieten wir uns in einem Guesthouse ein, duschen, waschen Wäsche und kaufen später in einem Supermarkt für die nächsten sechs Tage ein. 




Blumenpracht bei Khalde


Flüssigkeit aufnehmen


Wespentränke

Apollo

Khaldechala Tal

Khaldechala



Lagem Pass

Enghuri Tal

Am Romisghelis See

Morgenstimmung




Zum Vahusti


Birgit und Rainer

Riesenbärenklau

Zhesko Tal


Im Erlenwald

Lager Transcaucasian Trail

Nur ein kurzes Stück...

Riesige Tanne

Hier soll der Weg weiter gehen

Dichter Rhododendron

Internationale Trailcrew

Wir folgen einem steilen Grat

Ein wildes Tal

Grat zur russischen Grenze

Blumenmeer

Blick zum Grenzkamm




Wer sieht unser Zelt?



Wegloser Abstieg

Zhesko Tal

Gemischter Wald

Begleiter


Kleinflächiger Ackerbau im Tal


Durch Dorfland

Mt. Chumkhara


Bei den Khelida Seen






Wie ist der LKW dorthin gekommen?



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