4 Tage, 60 Kilometer, 4701 Höhenmeter Aufstieg
Nach einer recht milden Nacht sind wir schon vor 7 wieder unterwegs. Wir wandern stetig ansteigend das Remune Tal weiter aufwärts. 2 Murmeltiere auf ihren Aussichtsfelsen lassen uns nicht in allzu großer Entfernung passieren. Zunächst ist der Weg noch durch rote Punkte markiert, aber als wir uns vom Bach entfernen, weisen lediglich Steinhaufen den Weg. Schließlich flacht das Terrain ab , wir sehen den noch teilweise Schnee- und eisbedeckten Ibon Blanco Literola unter uns und voraus erhebt sich eine hochalpine, steile Bergmauer, mit dem 3000 Meter hohen Col de Literole, zu dem ein Ehrfurcht gebietendes Schneefeld führt. Am Beginn des Anstiegs treffen wir drei junge Spanier, die aber nicht über den Pass wollen, da es einem von ihnen schlecht geht. Als wir dann mit den Microspikes unter den Füßen den Anstieg beginnen, merken wir rasch, dass es hier weniger steil ist als gedacht. Kein Vergleich zum Collado de Aneto! Tatsächlich kommen uns drei spanische Trailrunner leichtfüßig entgegen, nachdem sie den Grat am Pass bewältigt hatten. Als wir dann das letzte Stück außerhalb des Schnees angehen, wähle ich eine nicht ideale Route. Ich habe die Wanderstöcke noch in den Händen und kann daher nicht gut klettern. Einen Moment scheint es, als könne ich weder vor noch zurück. Aber nach einem beherzten Move habe ich das Schlimmste hinter mir und bin bald auf dem Pass, ebenso wie Anke, die eine geschicktere Route wählt. Der Abstieg über Schneefelder und Schotter zum Lac du Portillon und dem gleichnamigen Refuge entpuppt sich dann als leicht. Von der bewirtschafteten Berghütte geht es noch ein Stück hoch, dann schlagen wir schon früh unser Lager auf einem flachen Absatz auf, da wir fürchten, weiter oben keinen guten Zeltplatz mehr zu finden. Zum Kochen auf dem Hobo haben wir Zweige aus dem Tal mitgebracht und Schmelzwasser gibt es in der Nähe. Später unternehmen wir noch einen Abendspaziergang auf den fast 2900 Meter hohen Tussé de Montarqué, von dem wir tolle Ausblicke genießen, wenngleich manchmal Windböen den Berg peitschen und Nebelwolken aus dem Tal aufsteigen.
In der Nacht ist es windig und es gewittert.
Der Morgen beginnt kühl, neblig und feucht, daher schlafen wir weiter und später kocht mir Anke einen Kaffee auf dem Gaskocher. Um 10 hat die Sonne den Nebel weitgehend verdrängt und wir wandern weiter durch die hochalpine Landschaft in der es nur wenig Grün gibt. Hinter dem Col de Pluviometre schnallen wir für einen kurzen Abschnitt die Microspikes an. Laut Karte laufen wir teilweise über Gletscher, für uns fühlt sich das aber eher nach Schneefeldern an. Am 2900 Meter hohen Col de Gourgs Blancs lassen wir einer 6- köpfigen französischen Gruppe den Vortritt, die heute Morgen schon an unserem Zelt vorbei gelaufen war. Die Leute haben weder Steigeisen noch Wanderstöcke, aber in der ausgetretenen Spur schaffen sie den Aufstieg ohne Probleme. Wir dagegen ziehen uns kurz die Microspikes an, die zwar weniger Halt als Steigeisen geben, aber besser als nichts sind. Oben treffen wir zwei ältere Franzosen, die auch die HRP laufen. Um Essensgewicht zu sparen, aber auch wegen des höheren Komforts übernachten sie wenn es geht in Hütten, haben aber auch ein Zelt dabei, was sie schon einige Male benutzt haben. Lediglich auf dem ersten Stück des langen Abstiegs lassen wir noch die Microspikes an, und gelangen dann an mehreren Seen vorbei langsam in grünere Gefilde. Hinter dem Stausee Lac de Caillaouas verlassen wir den Hauptweg und wandern auf einem schönen Pfad im Hang hoch über dem Tal. Es gibt hier einige Bauwerke, die wohl mit dem Stausee in Verbindung stehen. Einmal laufen wir auf Stahlgittern hoch über dem Abgrund. Schließlich erreichen wir in der Nähe der unbewirtschafteten Hütte Prat- Cazeneuve die Hauptroute wieder. Hier stehen Zelte und einige Leute, darunter auch Kinder, wollen in der Nähe schlafen. Wir dagegen steigen im Tal weiter auf und schlagen schließlich auf einem grasigen Absatz unser Lager auf. Es ist jetzt neblig, ungemütlich und nieselt, daher verziehen wir uns bald ins Zelt.
In der Nacht wird es klar und kalt, so dass unser Innenzelt am Morgen gefroren ist!
Wir laufen in Daunenjacke und Handschuhen los, aber als wir in die Sonne gelangen, können wir sofort zu T-Shirt und kurzer Hose übergehen. Nach nicht zu steilem Anstieg über Serpentinen erreichen wir den 2680 Meter hohen Pass Col d‘Aygues Tortes von wo wir bereits zum mächtigen Massiv des Posets blicken können, dem nächsten der drei höchsten Berge der Pyrenäen. Anschließend steigen wir auf der spanischen Seite lange in ein Wiesental ab. In der Nähe des Refugio de Viado treffen wir Marc, einen Niederländer um die 60, der seit 2010 jedes Jahr in den Pyrenäen wandert. Als wir erzählen, dass wir einen Abstecher durch den Ordesa Nationalpark unternehmen wollen, erklärt er uns gleich seine Route durch das Gebiet und sagt, dass er ein Geschenk für uns habe: Tatsächlich gibt er uns dann seine beiden detaillierten Wanderkarten für das Gebiet und wir beschließen, seinem Vorschlage zu folgen.
Ein Fahrweg führt uns an zwei Campingplätzen vorbei ins Tal des Rio Cinqueta de la Pez, wo wir unsere Mittagspause am Bach halten. Anschließend geht es von lediglich 1500 Meter Höhe wieder aufwärts. Heute zeigt sich keine Wolke am Himmel und wir gelangen durch eine herrliche Landschaft mit einzelnen Hakenkiefern zum Paso de los Caballos auf 2314 Metern. Hier biegen wir auf die Route von Marc ab. Am Urdiceto Stausee gibt es eine nette Hütte, in deren Umgebung eine Horde Jugendlicher abhängt. Wir kochen auf dem anderen Seeufer und steigen dann am Abend zu einem weiteren Pass auf, während über uns einige Geier kreisen. Die andere Seite entpuppt sich als ziemlich steil aber schließlich erreichen wir um 21:00 den malerisch gelegenen Lago del Cai, wo wir nach 23 Kilometern und knapp 2100 Höhenmetern unser Lager aufschlagen.
Trotz der Höhe von 2350 Metern ist die Nacht recht mild.
Zwar ist der Weg weiter talabwärts farblich markiert, dennoch steil und recht schwierig, mit hohen Absätzen. Einige Male führt der Weg zum Bach, bis der in einer Schlucht verschwindet. Trotz der Schwierigkeit des Weges, kommen uns einige Wanderer entgegen. Voraus zeichnen sich bereits die schroffen Kalksteinmassive ab, die unser nächstes Ziel sind. Vor Bielsa verläuft der Weg dann durch Buchsbaumdickichte im Hang.
Bielsa wirkt viel ruhiger als Benasque und ist auch ziemlich klein. Wir setzen uns in ein Straßencafé und bestellen einen Eiskaffee, sind aber ziemlich überrascht als wir einen heißen Kaffee mit einem Glas Eiswürfel daneben erhalten!
Ich rasiere mich auf der Toilette und später kaufen wir Brot, Käse, Schinken und Äpfel für unser Mittagessen. Nachdem wir dann für 6 Tage eingekauft haben, machen wir uns um 15:00 wieder auf den Weg. Hier auf lediglich 1000 Meter Höhe ist es ziemlich heiß, glücklicherweise liegt der gute Pfad der uns aus dem Tal führt, meist im Schatten. Bald gesellen sich zu den Kiefern einige Tannen und als wir eine gefasste Quelle erreichen, trinken wir uns erst einmal voll. Ganz in der Nähe finden wir dann einen grasigen Zeltplatz mit Schwertlilien zwischen dichtem Buchsbaumbewuchs.
Wir kochen auf dem Hobo und genießen den milden Abend.